Schon viel zu lange schlummerte dieser Roman aus der Feder des deutschen Autors Emanuel Bergmann auf meinem SUB, so dass mir diese berührend-schöne Geschichte fast entgangen wäre. Da ich ein großer Fan realistischer Romane bin und wesentlich skeptischer bezüglich der Magie der Dinge, war ich mir nicht ganz so sicher, ob die Geschichte um den Juden Mosche Goldenhirsch tatsächlich meinen Lesernerv treffen würde. Aber meine Zweifel waren absolut unberechtigt, denn die Story vereint so ziemlich alles, was für mich gute, nicht triviale Unterhaltungsliteratur ausmacht.
Inhalt
Im Zentrum der Erzählung steht der mittlerweile betagte Herr Goldenhirsch, der seinem Leben ein Ende setzen wollte und den Gashahn in seiner Wohnung in der Altersresidenz für Arme aufgedreht hat. Es bleibt jedoch beim misslungenen Versuch, denn in letzter Sekunde agiert der junge Max Cohn ausgesprochen geistesgegenwärtig und dreht den Hahn zu. Max ist auf der Suche nach dem „Großen Zabbatini“, einem Zauberer mit Weltrang, der angeblich einen mächtigen Liebeszauber anwenden kann. Und nun hat er ihn endlich gefunden und ist überzeugt davon, dass dieser alte, grummelige Mann genau der Richtige ist, um die Scheidung seiner Eltern mittels Magie zu verhindern. Doch Mosche wollte nicht mehr zaubern, weil sein Glauben an die Magie vollkommen desillusioniert ist. Sein Lebtag lang war der Zaubermantel sein Schutzschild, gerade in Anbetracht seiner jüdischen Herkunft und seines Berühmtheitsgrades während des Nationalsozialismus in Deutschland. Und selbst wenn ihn seine spektakuläre Show vor dem Schlimmsten bewahren konnte, seine Verluste gleicht auch ein präparierter Koffer nicht aus. Ganz gegen seinen Willen, entdeckt er in dem kleinen Max ein schlaues Kerlchen und greift ein letztes Mal in die Trickkiste, um der Familie Cohn klarzumachen, was eine Scheidung doch für bittere Konsequenzen hätte …
Meinung
Erzählt wird aus zwei Perspektiven, wobei die Lebensgeschichte des Mosche Goldenhirsch den größeren Anteil übernimmt. Pendelnd zwischen der Vergangenheit als Künstler, Geächteter, Geliebter und Verlorener und der Gegenwart als ein unbedeutender, alter Mann offenbart sich die ganze Vielfalt eines Menschenlebens. Egal ob es dabei um politische Aktionen, hilflose Reaktionen oder die einfache Willkür geht – der „Große Zabbatini“ blickt auf ein bewegtes Leben zurück und bezieht den Leser fast nebenbei mit ein.
Fazit
Hier vergebe ich gerne 5 Lesesterne, weil es sich um eine emotionale Erzählung handelt, die zahlreiche Sympathien weckt und mich sowohl zum Lachen als auch zum Weinen bringen konnte. Selbst der ein oder andere kitschige Moment passt ins Gesamtbild. Zwischen Zauberern und Künstlern fühlt man sich als Leser wohl und entdeckt immer wieder Lebensweisheiten, denen niemand entgehen kann. Dabei spielt die Magie an sich kaum eine Rolle, Sie beschreibt nur das Umfeld der Handlung und mit einem Augenzwinkern noch die Motivation all derer, die an kleine und große Wunder glauben. Weder depressiver Schwermut noch irrsinniger Leichtsinn kommen hier vor und doch berührt dieser Text eine breite Palette an Emotionalitäten. Auch eine Verfilmung könnte ich mir auf Grundlage des Buches gut vorstellen, denn die Bilder entstehen bereits während der Lektüre.