Rezension zu "Wer wagt, gewinnt" von Edmund Hillary
Allgemeines:
Erscheinungsjahr: 1975 (Edmund Hillary (der sich selbst in dem Buch übrigens nie als "Sir" bezeichnet) war damals 55 Jahre alt.
Meine deutsche Ausgabe von Bastei-Lübbe (1979) hat 374 Seiten, 28 Farb- und Schwarzweißfotos, 15 Skizzen im Text
Klappentext:
Sir Edmund Hillary, einer der letzten großen Abenteurernaturen unserer Zeit, schrieb ein hinreißendes Buch über sein wagemutiges Leben.
Fast zufällig kam er, der Bienenzüchter, mit der Bergwelt in Berührung, die ihn dann nicht mehr losließ. Innerhalb weniger Jahre erstieg er die wichtigsten Gipfel Neuseelands und besiegte dann 1953 mit Sherpa Tensing als erster den Mount Everest. Er erzählt von der Kameradschaft am Seil, von Todesgefahren und dem schönen Gefühl des Erfolges. Die Furcht wurde ihm zum ständigen Begleiter: Im Januar 1958 erreichte er als Leiter einer Trans-Antarktis-Expedition unter unsäglichen Strapazen den Südpol.
Hillary hat sich zudem seinen Blick für die Schönheit der Landschaft und den wilden Reiz unberührter Natur behwahrt - sei es die bizarre Eiswüste der Antarktis oder die Wunderwelt des Himalaya. Eine fesselnde Autobiografie, die den Leser mithineinzieht in das Abenteuer eines einzigartigen Lebens.
Schreibstil:
Hillary ist ein Abenteurer, kein Schriftsteller. Wenn man das in Rechnung stellt, kann er recht gut schreiben. Sein Stil ist sehr undramatisch, große Gefühle (wie der Klappentext suggeriert) kommen eigentlich nicht vor. Die von den Medien gepushten Konflikte (war Tensing zuerst auf dem Everest? Der "Wettlauf" zum Südpol) waren entweder wirlich nicht so dramatisch, oder Hillary möchte im Nachhinein nicht darauf herumreiten.
Ein Großteil des Buches beruht auf vermutlich auf Tagebuchaufzeichnungen: harte Fakten, kaum ausgeschmückt. Mit dem-und-dem Seilkameraden bin ich losmarschiert, zuerst ist das passiert, und dann das, und dann das - und um diese Uhrzeit waren wir auf dem Gipfel.
Leseprobe: (Seite 180, es geht um die Vorbereitung der Everest-Besteigung)
"... brachen nur Tensing und ich um 16.20 bei starkem Schneetreiben auf. Die Spuren durch das Cwm waren verweht, die Orientierungsflaggen nicht mehr zu sehen. Von den hohen Felswänden donnerten Lawinen zu Tal, und wir mußten uns sehr mühsam unseren Weg suchen. Schließlich fanden wir die Brücke über dem Camp III, gerieten dann in ein starkes Hagelwetter, das uns übel zusetzte und kamen nur ganz langsam bis Camp III voran und von dort aus die Strickleiter hinunter bis zum "Nußknacker". Im Tiefschnee ging ich auf der Spur voraus, aber in einem sehr verhaltenen Tempo. Dabei versank ich ständig bis zum Gürtel in mit weichem Schnee vollgewehten Löchern. Es wurde dämmrig, aber zum Glück ließ das Schneetreiben nach, und wir kamen etwas schneller voran. Endlich erreichten wir die Zelte des Camp II. Wir überlegten, ob wir hierbleiben sollten, entschlossen uns dann aber doch, weiterzugehen. ..."
Mein Lese-Erlebnis:
Sehr uneinheitlich. Zuerst habe ich es langweilig gefunden, dann konnte ich eine Zeitlang gar nicht mehr aufhören zu lesen, dann wieder fad ...
Wenn in der Mitte des Buches der Everest bezwungen ist, dann ist leider auch viel von der Spannung draußen. Die Südpol-Fahrt war nicht nur für die Reisenden anstrengend - auch der Leser muss sich hier mehr plagen. Und dann passiert eigentlich nichts interessantes mehr. Der zweite Teil ist eindeutig der schwächere.
Für mich war es oft nicht möglich, mir die beschriebenen Szenarien vorzustellen. Wenn man noch nie ein Eisfeld gesehen hat, oder nicht weiß, wie es in einem Basiscamp zugeht - dann bleiben die Beschreibungen leider recht vage und die emotionale Beteiligung hält sich in Grenzen.
Fakt ist: ich habe viel gelernt. Wer hat schon eine Ahnung wieviel Vorbereitung und Technik hinter diesen Abenteuerreisen stehen? Flugzeuge, Traktoren und Sauerstoffgeräte spielen eine viel größere Rolle in dem Buch als z.B. Hundeschlitten und Eispickel. Technik-Freunde werden vielleicht ihre Freude daran haben. Mir persönlich wäre ein bisschen mehr Bergsteiger-Romantik lieber gewesen. Aber die Realität sieht eben anders aus.