Rezension zu "Utopia Avenue" von David Mitchell
Die 60er des vergangenen Jahrhunderts üben eine besondere Anziehungskraft auf mich aus. Ich hätte gerne in dieser Zeit ein Alter von 20 gehabt, und ich war enttäuscht von meinen Eltern, dass sie damals so eher auf Freddy Quinn als auf die Beatles standen! Was für ein Frevel! Es war ein ein Jahrzehnt des Umbruchs, des Aufbruchs, und der neuen Musik. Bands wie die Beatles erlebten, ihren Aufstieg, wanderten aber auch schon ihrem Ende entgegen. Genauso erging es Utopia Avenue in diesem Roman.
Dean, Jasper, Griff und Elf schweißt der Zufall und der Musik-Manager Levon zusammen. Bass, Gitarre, Schlagzeug, Hammond Orgel und natürlich auch die Stimmen sind ihre Werkzeuge. Das komponieren und texten teilen sie sich, und ebenso Freude und Leid.
Wir erleben den langsamen Aufstieg der Band, die Mühen, die damit verbunden sind. Man kann die Anstrengung, das Bangen und Hoffen bei den ersten Gigs förmlich spüren. Als sie es weit nach oben in den Pop Himmel schaffen ist nicht automatisch Reichtum, Stabilität und Familienglück angesagt. Jedes einzelne Mitglied hat Schicksalsschläge zu verkraften. Wir lernen also nicht nur die musikalische (Schatten-)Seiten der vier Band Mitglieder kennen, sondern Unternehmen kleine Ausflüge in ihr nicht gerade einfaches Privatleben.
Manche Ereignisse waren schockierend, ich musste das ein und andere Mal schlucken.
Die Musiker aber halten immer zusammen, egal wie dick es gerade kommt.
Natürlich spielen auch alle Dinge, die ein Leben als Popstar mit sich bringt, eine große Rolle, es heißt ja nicht umsonst: Se*, Love and Rock ‚n‘ Roll. Dass da jeder anders mit umgeht und zwar nicht immer vernünftig, könnt ihr euch denken. Insgesamt ist Utopia Avenue, aber eine der gemäßigten Bands, was das Backstage Leben angeht. Ich glaube andere waren noch härter drauf.
Der Text ist sehr dialogreich. Gedanken werden kursiv geschrieben, die Geräuschkulisse wird in Comic Sprache eingefügt. Manchmal springen die einzelnen Kapiteln in kurzen Abschnitt in den Zeiten. Das macht das Lesen nicht immer einfach. Besonders die Kapitel von Jasper fand ich nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich eine Herausforderung.
Das Ende des Romans hat mich sehr mitgenommen und meinem empfinden nach die Geschichte noch mal aufgewertet, leicht zu verkraften, war das aber nicht.
Wir erlesen uns also einen Ausschnitt im Leben von vier Menschen, die es weit gebracht haben und deren Ende als Band abrupt, aber endgültig ist. Wir begegnen David Bowie, Frank Zappa, Janis Joplin, John Lennon, und anderen heißen Größen der Musikszene der 60er Jahre. Was bleibt ist das Gefühl, etwas Schillerndes, miterlebt zu haben, und SIE waren die einzigartige, unglaubliche, fabelhafte Band „Utopia Avenue“.