Ich kämpfte mich in der Originalsprache durch dieses Buch und habe hierfür mehrere Monate benötigt, um damit abzuschließen. Das mag sich negativ anhören, ist aber nicht so gemeint. Zugegebenermaßen ist das Lesen recht mühsam. Die über 1000 Seiten (einschließlich der Anmerkungen) sind eher hart - insbesondere die Anmerkungen sind extrem klein gedruckt. Zudem hat der Autor einen Wortschatz, der eigentlich nur einer Frau zuzutrauen wäre. So oft wie bei diesem Buch habe ich, glaube ich, noch nicht mal in der Schule das Wörterbuch benutzen müssen. Einen popeligen Harry-Potter mit 700 Seiten kann man auch in Englisch in weniger als einer Woche lesen - und das ohne Urlaub. Aber dieses Buch ist schon viel anspruchsvoller. Jedenfalls lässt der Autor darin seine Ideen sprühen und das Lesen macht, nach Überwindung einer gewissen Faulheit, doch noch Freude. Infinite Jest zu lesen ist wie einen Berg zu steigen. Komisch ist nur, dass auf den interessantesten Seiten keine Anmerkungen zu finden sind. Ach ja, darin geht's um Studenten der Enfield Tennis Academy - nicht den Sport an sich...
David Foster Wallace
Lebenslauf
Alle Bücher von David Foster Wallace
Unendlicher Spaß
Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich
Das hier ist Wasser / This is Water
Kleines Mädchen mit komischen Haaren
Der Besen im System
Kurze Interviews mit fiesen Männern
Am Beispiel des Hummers
Schrecklich amüsant
Videos zum Autor
Neue Rezensionen zu David Foster Wallace
Rezension zu "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace
Dieses fast 1600 Seiten starke Machwerk von David Foster Wallace (DFW) in inhaltlich in einer kurzen Rezension darzustellen, erscheint ein fast unlösbares Unterfangen. Wartet doch der 1996 erstmals im englischsprachigen Original veröffentlichte Roman mit einer massiven Themendichte auf.
Die „Rahmenhandlungen“ (Plural!) spielen sich grob in einer Tennisakademie für 10 bis 18jährige angehende Profisportler, einem nahegelegenen Entzugswohnheim für Drogen- und Alkoholabhängige sowie auf einem Felsbrocken zwischen zwei Agenten. Im ersten Setting geht es hauptsächlich um die Sucht nach Erfolg, Leistungsdruck und Belastungen der jugendlichen Sportler:innen, aber auch um das familiäre System einer der Schüler und gleichzeitig Hauptprotagonist Hal Incandenza. Dessen durch Selbstmord bereits verstorbener Vater gründete die Akademie, widmete sich danach dem Drehen von post-avangardistischen Filmprojekten. Eines dieser Projekte ist der Film „Unendlicher Spaß“, welcher zur Hirnerweichung und dem Tod führt. Das holt die Agenten franko-kanadischer Separatistengruppen sowie des US-Geheimdienstes auf den Plan. Jetzt auch noch verständlich den Erzählstrang in dem Entzugswohnheim hier zu erklären, ist mir einfach nicht sinnvoll möglich.
Sie verschiedenen Erzählstränge werden in nicht-chronologischer Reihenfolge, in wechselndem Muster im Buch angebracht, über die ersten 500 Seiten hat man prinzipiell keine Ahnung, was so wirklich vor sich geht, im Mittelteil hat man das Gefühl, langsam zu verstehen, wohin der Autor mit der ganzen Sache möchte, und verliert diese Idee zum Ende hin wieder vollständig. Das klingt wirr? Ist es auch. Warum lohnt sich trotzdem potentiell eine Lektüre?
Der Roman spielt hauptsächlich im Jahre 2012, was also ca. 16 Jahre vom Entstehungszeitpunkt in der Zukunft liegt. DFW beschreibt die Zersetzung von Individuen und damit auch einer Gesellschaft in einem Maße, was im Jahre 2022 den Leser:innen eine Gänsehaut bescheren kann. Für mich grandios an diesem Roman war jedoch nicht unbedingt die hier erschaffene Welt als Ganzes, sondern bestimmte Textsegmente zu speziellen Themengebieten, die dermaßen authentisch geschildert sind, dass sie Augen öffnend sind. So wird Drogenkonsum, -trips, -abhängigkeit, -entzug usw. wirklich so ausführlich wie – zumindest von mir – noch nie gelesen dargestellt. Auch der Themenkomplex um Anhedonie und schwere Depressionen ist mehr als gelungen. Mit dem Wissen, dass sich DFW in 2008 selbst nach jahrzehntelanger schwerer Depression suizidiert hat, lässt die Beschreibungen diesbezüglich noch einmal in einem ganz intensiveren Licht dastehen. Noch nie hat mir ein Text so stark verdeutlicht, warum es Menschen mit dem Krankheitsbild der schweren Depression den Suizid als einzige alternativlose Möglichkeit sehen zu handeln.
Womit aber dieser Roman und damit auch der Autor DFW am meisten brilliert ist die Sprache. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie kreativ der Autor die Sprache zu seinem Mittel macht, um nicht nur eine bitterböse Analyse der Gesellschaft und Kritik an ebendieser zu vermitteln, sondern einfach auch amüsante Plotbausteine einzuweben. Gerade wenn man versucht die aberwitzigen Geschehnisse in diesem Roman einer anderen Person, die das Buch nicht gelesen hat, zu vermitteln, wird das Ausmaß des Humors erst so richtig sichtbar. Bisher habe ich in noch keinem Buch so viele kreative Ideen im Umgang mit Sprache und Handlung erlebt. Was sich vor allem in den kongenialen Anmerkungen des Autors zeigt. Diese umfassen fast 200 Seiten allein, gehören definitiv zum Plot dazu, können und sollten also keinesfalls übersprungen werden, und erzählen mitunter eigene Geschichten für sich. Eigentlich lese ich lieber Fußnoten direkt unten auf der entsprechenden Seite, wie es bei kürzeren Werken DFW‘ gehandhabt wird, aber hier ist dies nicht ansatzweise möglich, wenn allein die „Filmografie“ von Hals Vater ganze 12 Seiten einnimmt.
Und wenn von Sprache die Rede ist, dann muss in Verbindung mit „Unendlicher Spaß“ zwingend der Übersetzer Ulrich Blumenbach - nicht nur genannt, nein - geehrt werden! Glücklicherweise bekam er die Zeit zugestanden, die er für die Übersetzung eines solchen Werkes auch brauchte, nämlich sechs (!) Jahre. Was dieser Mensch hier erarbeitet hat, kann man nicht hoch genug loben. Es handelt sich um Zauberei.
Ich habe das Gefühl, meine Rezension ist einfach nur wirr und zerfasert. Und ganz ehrlich? Der vorliegende Roman ist eine wirre, zerfaserte Zettelkiste. Ein wilder Montageritt, der gleichzeitig unglaublich zäh sein kann. Durch diese knapp 1600 Seiten habe ich mich in vier vierhundert Seiten Abschnitten genähert, durchgekämpft, sie bezwungen. Unverhohlen: Die Lektüre von „Unendlicher Spaß“ kann unendlich anstrengend sein und lässt sich keinesfalls süffig runterlesen. Deshalb ist das Buch keinesfalls etwas für jede Person. Viele werden es frustriert abbrechen. Also kann ich trotz meiner vergebenen vollen Punktzahl hier keinesfalls eine allgemeine Leseempfehlung aussprechen, kann aber garantieren, wer sich die Mühe macht, sich durch diesen Zettelkasten mit den Stimmen von vielen wirklich schwer beschädigten Figuren durchzukämpfen, wird mit einer genialen Gesellschaftskritik, Humor, Kreativität und Spaß an der Sprache belohnt werden.
Rezension zu "Schrecklich amüsant" von David Foster Wallace
Der Autor nahm sich mit nur 46 Jahren das Leben und so klingt "aber in Zukunft ohne mich" schon sehr authentisch. Das Buch ist einerseits erheiternd und dann aber sehr hintergründig. Denn das Buch ist eigentlich schwere Kost und der Autor bietet ausreichend Belege dafür, warum man auf einer Kreuzfahrt über den Tod und den Sinn des (eigenen) Lebens nachgrübeln und dabei ins Unglück blicken sowie unter dieser Last auch untergehen kann.
Die Kreuzfahrt steht stellvertretend für Reflexionen über eine höchst komplexe Gesellschaft, die für den Einzelnen so undurchschaubar geworden ist, dass die Flucht in Oberflächlichkeiten, bzw. in den Konsum verständlich ist. Die tiefe Verzweiflung des Autors über die fürchterliche Armut der ihn umgebenden Menschen, der er nichts entgegenzusetzen hat, weil ihn diese Welt maßlos bedrückt, ist in dem Werk wirklich brillant, sprachgewaltig und dabei uneitel beschrieben und auf den Punkt gebracht worden. Absolute Leseempfehlung!
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Zusätzliche Informationen
David Foster Wallace wurde am 21. Februar 1962 in Ithaka, New York (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
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