Dieses Buch kam als Mängelexemplar über den Grabbeltisch zu mir. Ich nahm es, vor allem wegen des Covers, in die Hand. Ich fand es schlicht und doch irgendwie schick und stilvoll. Der Klappentext verriet mir, dass es sich um einen historischen Roman handelt, dessen Handlung im amerikanischen Sezessionskrieg spielt. Von der Autorin hatte ich auch noch nie etwas gehört, ich hatte schon fast Angst, dass ich es bei diesem Buch mit einem kitschigen Schundroman zu tun haben werde, doch ich wurde positiv überrascht.
In diesem Roman geht es vor allem um den jungen Jacob Rappaport, Sohn jüdisch-deutscher Einwanderer, der sich 1861 freiwillig meldet, um für die Nordstaaten in den Bürgerkrieg zu ziehen. Dabei wird er Teil des Kriegsgeschehens, von Intrigen, Spionage, Verrat, vom Kampf gegen die Sklaverei und trifft mittendrin auf vier junge Schwestern, die sein Leben komplett verändern.
Zur Handlung würde ich an dieser Stelle nicht unbedingt mehr verraten wollen, um nichts vorweg zu nehmen.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig und angenehm zu lesen. Sie schweift nicht aus, schreibt keine ellenlangen Sätze und bedient sich einer teilweise gehobeneren, aber nicht fordernden Sprache. Auch ist das Vokabular passend zur Zeit gewählt und die Charaktere sagen Dinge, die zu ihnen passen.Für mich vereint der Roman mehrere Dinge, die ich interessant finde: Das 19. Jahrhundert, die jüdische Kultur und den amerikanischen Bürgerkrieg. Vor allem, da Dara Horn auch reale Personen mit eingebaut hat, merkt man, dass sie auf dem Themengebiet "Amerikanischer Bürgerkrieg" sehr bewandert ist und gut recherchiert hat. Alles hat zueinander gepasst und war authentisch. Das Jüdische spielt in dem Roman eine große Rolle. Die Versklavung, die Verfolgung, die Feiertage, die Bräuche, die Stellung in der amerikanischen Gesellschaft - alles wird angerissen und Hinweise werden dazu eingestreut. Man erfährt einiges, was man nicht unbedingt weiß und stößt aber schnell auf einen moralischen Widerspruch: Können sich Juden von schwarzen Sklaven bedienen lassen und gleichzeitig den Auszug aus Ägypten, also die Befreiung der Israeliten aus ägyptischer Sklaverei feiern?Doch nicht nur hier werden moralische Fragen gestellt. Jacob landet ständig in Situationen, in denen er sich entscheiden muss, ob eine bestimmte Handlung moralisch gut oder nicht gut ist, ob er nein sagen kann oder nicht, ob er ausnahmslos seinem Land dienen muss, oder nicht. Als Leser weiß man manchmal selber nicht, ob seine Entscheidungen denn nun richtig oder falsch waren, was er eigentlich will und was er nicht will.Auch ist die Geschichte manchmal etwas verwirrend, wenn man nicht allzu sehr mit dem amerikanischen Bürgerkrieg vertraut ist. Beim Lesen kam ich manchmal etwas durcheinander und wusste gar nicht, auf welcher Seite er und die anderen nun sind.Aber auch Jacob war ein relativ kühler Protagonist. Ich hatte oft das Gefühl, dass er zu vielen Dingen keine Meinung hat, keine richtigen Emotionen, dass er keinen Schmerz empfindet, keine Trauer und keine Freude. Natürlich wurden seine Gedanken beschrieben, aber teilweise hat Dara Horn es nicht geschafft, dass ich seine Gefühle richtig mit erlebe.Die moralischen Konflikte, die in dem Roman auftreten, scheinen auch spurlos an ihm vorbei zu ziehen. "Jacob, was denkst du über deine Entscheidung? Über dein Handeln? Was denkst du über Sklaverei und wo siehst du dich als Juden in der amerikanischen Gesellschaft?" hätte ich ihn gerne gefragt, wenn ich könnte, denn Jacob befand sich zwar in Situationen, die man als Leser so und so bewerten kann, jedoch bezog er oftmals keine richtige Stellung dazu. Deshalb wirkte Jacob auf mich nicht wie ein Protagonist mit Tiefgang.Vielleicht war das aber auch Absicht. Vielleicht wollte Dara Horn den Leser zum Denken anregen, dass wir uns die Fragen über die Moralität gewisser Situationen stellen und für uns eine Antwort finden, ohne, dass Jacob uns die vorweg nimmt.Trotzdem kann ich diesen Roman wärmstens empfehlen. Ich vermute, dass Geschichten wie diese auf dem deutschen Markt kaum zu finden sind und dieser Roman somit einen Glücksgriff darstellt. Ich habe mich an keiner Stelle gelangweilt und fand jede Seite lesenswert und spannend.
Mein Fazit: Eine schöne Mischung aus Spionage, Historie, Krieg und Liebe, die bis zur letzten Seite fesselt!
4 Sterne!
Dara Horn
Lebenslauf
Alle Bücher von Dara Horn
Die kommende Welt
Vor allen Nächten
Ausgelöscht sei der Tag
Vor allen Nächten: All Other Nights
Die kommende Welt
All Other Nights
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Neue Rezensionen zu Dara Horn
Jacob Rappenport, Jude und Sohn von erfolgreichen Einwanderern, flüchtet von New York nach der Ankündigung, dass er eine verwirrte Frau heiraten soll, in die Armee. Es ist die Zeit des Bürgerkrieges und so kämpft er mit vielen Anderen aus dem Norden gegen den Süden. Er kämpft für die Freiheit der Sklaven, was er in der Zeit bei der Armee nicht so richtig mitbekommt. Bald darauf erhält er von seinen Leutnants den Befehl in den Süden zur seiner Bekanntschaft zu gehen und diese auszuspionieren. So macht er sich auf den Weg, in der Hoffnung, dann mit einer Ehrung aus dem Krieg zu entkommen. Leider entwickelt sich es anders für ihn, denn er verliebt sich in einer der Schwestern von seiner Bekanntschaft.
Bald ändert sich alles in seinem Leben. Er wird heiraten, sich und die Anderen verraten und am Ende doch mehr oder weniger was verlieren.
Das Buch fängt gut an, lässt sich schön lesen. Nur mit der Zeit wird die Geschichte träge und das Lesen gestaltet sich schwieriger, da sich für den Leser Gedanken auftun, die die Geschichte schneller vorwärts gebracht hätte. Über viele Geschehnisse und Reaktionen der Figuren konnte ich nur den Kopf schütteln.
Wenn man was über den Bürgerkrieg erfahren möchte, kann man hier doch einiges dazulernen, wie die Ansichten der Südstaatler.
Rezension zu "Vor allen Nächten" von Dara Horn
Von der ersten Seite an wird der Leser hier mit hinein genommen in eine Mischung aus Familien-, Liebes- und Spionagegeschichte.
Ein starker Auftakt wird nach und nach zu einer tiefen Geschichte mit gut ausgearbeiteten Charakteren und einem spannenden Setting: dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Da Jacob Rappaport, der Protagonist, Jude ist und hauptsächlich aus jüdischen Kreisen berichtet, bzw. diese reflektiert, bekommt dieser Roman eine ganz eigene Note, die sich von anderen Bürgerkriegsgeschichten abhebt und die Perspektive über das junge Amerika erweitert.
Auch kommt der typisch jüdische Humor immer wieder mal durch, was die oft grausamen Kriegsszenen auflockert, so dass das Buch nie in Depression abdriftet.
Spannend wird es auch durch Ortswechsel, die Einblicke in verschiedene Kriegschauplätze und die Umstände, unter denen die Menschen dort leben müssen, gewähren.
Sprachlich hat das Buch ein angenehmes, sich dem inneren Ohr einschmeichelndes Niveau, das sich von der bloßen Unterhaltungslitaratur deutlich abhebt.
Sprache, Personen, Setting und Spannungsbogen gehen hier eine stimmige, überzeugende Symbiose ein und so entsteht ein besonderes Buch, das eines meiner wenigen wahren Lese-Highlights im Jahre 2012 war!
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