Kein Land auf dieser Erde ist so geheimnisvoll wie Nordkorea. Was wir von diesem Land wissen, lässt sich am besten von Satellitenaufnahmen bei Nacht beschreiben. Einige helle Punkte und ansonsten Dunkelheit. Wir wissen von einem brutalen, totalitären Regime, von widerlichen Menschenrechtsverletzungen, von Hungersnöten und unglaublicher Militärpräsenz. Wir kennen die üblichen Geschichten einer Elite, die sich nicht von anderen totalitären Staaten unterscheidet. Trotzdem übt dieses Land eine kalte und unerklärliche Faszination aus, denn keine Diktatur wird weltweit so gefürchtet, wie Nordkorea. Das liegt ohne jeden Zweifel am Atomwaffenprogramm des Landes, dessen wahrer Entwicklungsstand uns genauso verborgen bleibt wie die Reichweiten, die die Raketen tatsächlich haben. Die permanente Präsenz in den Medien ist diesem Umstand zu verdanken und die Kim-Dynastie weiß ihre vermeintlichen Vorteile geschickt in Erpressungen umzumünzen. Trifft man dann noch mit einem Präsidenten Trump auf eine lächerliche Gegenspielerfigur, ist der diplomatische Zirkus ein willkommenes Mittel, um die Welt weiter zu narren und die eigene Position auszubauen. Wenn es auch scheint, dass in den letzten Jahren die Diplomatie ein wenig vorangekommen, die Grenzen ein kleines bisschen geöffnet wurden, so ist das nur eine weitere Nuance in dem Theater, das Nordkorea seit Jahrzehnten aufführt. An der Situation im Land und für die Bevölkerung hat sich nichts geändert.
Es gibt nur wenig erhellende Bücher über Nordkorea. Dazu gehören ganz sicher auch die Enthüllungen einiger Flüchtlinge und Überläufer, die es geschafft haben, unter großen Mühen das Land zu verlassen. Es gibt eine Handvoll Sachbücher, die nicht aus Spekulationen bestehen und deshalb helfen, sich ein ungefähres Bild vom Ausmaß der Repressalien in diesem Land zu machen.
Da ist es mutig, sich an einen Thriller zu wagen, der die Nordkorea-Problematik zum Thema hat. D.B.John hat in Südkorea gelebt und Nordkorea bereist, hat sich einen Überblick, so weit es ging, verschaffen können, recherchiert und sehr genau gefiltert, was er für sein Buch verwendet hat. Schon alleine diese Arbeit, die Auswahl seiner Quellen und Gesprächspartner war gründlich und genau abwägend. Daraus entstand ein Roman, der drei Abteilungen umfasst. Zum einen die Geschichte der Halb-Koreanerin Jenna, deren Zwillingsschwester von einem Strand in Südkorea ins Nachbarland entführt wurde und die sie nun, von der CIA ausgebildet, im Rahmen diplomatischer Tätigkeit finden und zurückholen will. Dann die Geschichte des hohen Parteifunktionärs Cho, dessen großartige Karriere beendet ist, als man in seiner Vorgängergeneration einen Makel findet und der als Unterhändler vorher die Welt „da draußen“ kennenlernt hat und dann ist da noch das Leben von Frau Moon, eine einfache Bäuerin, die in den Markthandel einsteigt und dort zu einer Stimme des Widerstands wird.
Die Erzählstränge wechseln sich ab, ohne einen Bruch zu erzeugen, weil John die Geschichten zeitlich parallel laufen und im Verlauf sich annähern lässt. Bis es am Schluss zu den Auflösungen der Zusammenhänge kommt, hat der Leser vielleicht schon das eine oder andere vermuten können.
Über weite Strecken ist das Buch beklemmend, weil sich John auf viele Fakten einlässt. Er verzichtet auf Plakatives, selbst der Beschreibung von Folter und unmenschlichen Lebensumständen gibt er mehr dokumentarische Kraft als reißerische Effektheischerei. Stellenweise lesen sich gerade die erschütternden Passagen wie eine Dokumentation. Die Spannung bleibt ständig auf hohem Niveau, John arbeitet zwar auch mit Cliffhangern, doch die sind der Handlung geschuldet, irgendwo muss er Absätze machen und Kapitel markieren. Sein Stil ist schnörkellos, er verliert sich nicht in Beschreibungen, jede lokale Besonderheit wird so ausgearbeitet, dass der Leser alle Informationen hat, um sich die Szenen vorstellen zu können.
Am Ende hat das Buch viel gefordert. Es ist nicht nur die Spannung, denn immerhin bleibt es ein Thriller, es sind auch die Mengen aufwühlender Informationen, die Detailgenauigkeit und – davon kann man ausgehen – die nachprüfbaren Fakten, die hier verwendet wurden. Also nicht nur gute und spannende Unterhaltung, sondern man bekommt viele erstaunliche Informationen und wird vielleicht animiert, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.
Deswegen gibt es hier für einen Thriller die höchste Punktzahl. Nicht nur für ein gelungenes Exemplar seines Genres, sondern in erster Linie für die großartige und sorgfältige Einarbeitung eines Sachthemas, denn so kann man die einzigartige Geschichte Nordkoreas wohl nennen, gebührt dem Autor große Anerkennung und Beifall. Unbedingte Leseempfehlung.