Diese Rezension ist mein höchstpersönlicher Meilenstein. Die tausendste Rezension. Ja, richtig gelesen. Die 1000. Rezension! Ach, wie schön! Und diese widme ich dem König des Horrors, Clive Barker.
1952 in Liverpool geboren, studierte er ebenso dort - Literatur und Philosophie. Er ist ebenso Illustrator, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent für Bühne als auch Film. Mit Neil Gaiman teilt er den Erhalt des World Fantasy Award. Er selbst bekam ihn 1985. Die eigene Verfilmung seiner Novelle "Hellraiser" hat ihm den Durchbruch gebracht.
Aber er ist versatil. Auf dem Gebiet von Thrillern und Dark Fantasy hat er sich ebenfalls mittlerweile etabliert. Er lebt mit seinem Mann in der Stadt der gefallenen Engel - Los Angeles.
Insgesamt hat er sechs einzelne Bücher des Blutes verfasst, die als Einzelausgaben bei Knaur erschienen waren. 2015 brachte der Nikol Verlag in zwei hochwertigen und preisgünstigen Hardcoverbänden sie alle gesammelt heraus.
Es sind ausschließlich Short Stories und was für welche. Sie bewegen sich jenseits des gefälligen Mainstreams, sind düster, verstörend, bizarr, manchmal eklig, was an den Body Horror eines David Cronenberg erinnert, von dunkler Erotik geprägt. Geeignet, direkt die Ratio des Großhirns zu umgehen und direkt die Amygdala sowie das Unterbewußtsein tief zu penetrieren.
Ja, das Unterbewußtsein, laut Sigmund Freud, das ungezähmte, wilde, triebhafte ES des Menschen. Ich hatte mich lange nicht an diese Bücher herangetraut, aus Angst, ich wäre ihren nachtschwarzen Prämissen nicht gewachsen. Doch dann wagte ich die Blutdusche ( mein eigenes Blut natürlich! ) metaphorisch und wurde mehr als angenehm überrascht.
Es ist keine billige, reißerische Schreibe, sondern literarisch hochwertig und philosophisch gefärbt in der Unterströmung. Ja, warum nicht das einbringen, was man gelernt hat?
In diesem Band sind die ersten drei Bücher des Blutes vertreten. Das sind insgesamt sechzehn Kurzgeschichten, die sich zwischen fiebriger Halluzination, dem puren Wahnsinn, ungreifbarer, bedrohlicher Suspense, schwülem, düsteren Sex und höllischer Phantasie bewegt.
Wie schon die erste Story beginnt: "Das Buch des Blutes"
"Auch die Toten haben Straßen.
Unbeirrbar durchschneiden die Bahnen ihrer Geisterzüge, ihrer Traumwaggons das Ödland hinter unserem Leben und befördern einen nicht enden wollenden Strom abgeschiedener Seelen. Ihr Gestampfe und Geratter wird hörbar an den kaputten Schandorten dieser Welt, aus Spalten, die der Gräuel, die Gewalttat und die Verworfenheit schlugen. Ihre Fracht, die ruhelos irrenden Toten, wird sichtbar, wenn das Herz nah am Zerspringen ist, und Bilder, die besser verborgen blieben, treten unabweislich vors Auge."
Unheimliche, schwarze, poetische Romantik prägt Clive Barker. Er ist der konsequente modernisierte Lord George Gordon Noël Byron, Mary Shelley, Percy Bysshe Shelley, der Erbe der Gothic Novels.
In seinem changierendem, irisierendem drängenden Schreiben, das durchaus Unbehagen, aber auch Reflektion, Inspiration sowie Faszination beim Leser auslöst, ist er durchaus Neil Gaiman ähnlich. Dieser ist ja ebenfalls ein Erbe des Gothic Novels.
Diese beiden, aber insbesondere Clive Barker scheint wie ein Wiedergänger verbotener, tabuisierter Zonen und Grenzbereiche des Geistes. Und ein Grenzgänger ohnehin. Die aggressive und bedrohliche Erotik bricht oft durch die dünne Membran mühsam antrainierter, nachviktorianischer Wohlanständigkeit. Bis die archaischen, ungehemmten und manchmal auch destruktiven Impulse sowie Elemente in unsere vermeintlich geordnete und "nette" Realität einbricht.
Er schafft es, daß er uns immer an das Monster erinnert, das uns heiß in den Nacken haucht und oft ist dieses allzu menschlicher, unauffälliger Gestalt, selbst wenn es jenseits unserer Dimension und Wirklichkeit stammt.
Sind wir Menschen nicht alle Bücher des Blutes? Wo man uns aufschlägt, blutig rot? 💀👻👹👿😈