Rezension zu "Im Vogelgarten" von Claudia Koppert
Ja, manchmal klingt auch eine leichte Resignation durch.
Sie schaut in die Nistkästen – mal aus Neugier, mal aus Sorge – und erblickt Tod und Leben darin, manchmal auch nur noch die Überreste des einen oder des anderen. Sie fotografiert, notiert, markiert, dokumentiert. Sie sammelt das ausgebürstete Fell des Hundes, welches sie in allen möglichen Nestern verbaut wiederfindet (ohne dass sich ein Vogel darin verfangen hätte…).
Sie entdeckt Kurioses, wie die akkurat eingearbeitete blaue Plastikschnur in einem Spatzennest, welche zur ersten Brut die Nestkante fein säuberlich umrandet, und etwas später die des erweiterten Nestes der zweiten Brut ebenfalls, wieder fein säuberlich drapiert, und schließlich entdeckt sie diese Schnur noch im Dezember in einem der Kästen, in denen sich das Sperlingspaar ein Schlafnest eingerichtet hat.
Während man all diese Geschichten liest, wünscht man sich, auch solche Geschichten erzählen zu können. Zwangsläufig denkt man immer wieder über das eigene Naturverständnis nach. Ich glaube, es ist diese intensive Nähe zu den Gartenbewohnern, die fasziniert, die Sehnsucht weckt nach eigenen Erlebnissen dieser Art, die nämlich etwas wert sind, weil sie etwas kosten. Sie erfordern unseren Fokus, unsere Aufmerksamkeit. Sie verlangen unsere Zeit und Hingabe. Sie erwarten von uns, Prioritäten zu ändern, aufzugeben, loszulassen, anders zu machen.
Und so finden sich auch Erzählungen im Buch, davon, was zählt und was lohnt. Der Garten ist eine Lebensaufgabe, ein Werk der Endlosigkeit, wenn man so will. Ein Ort in dem nichts nur aufwärts strebt, sondern in dem auch verwelkt, verdirbt, stirbt, für das man sich so aufgerieben hat. Er ist ein Ort der Mühsal und was darin gedeiht, könnte man auch andernorts einfacher haben. Aber ist das nicht genau der Punkt? Verliert man dadurch nicht die Nähe zum Garten, zur Natur? Verliert man nicht dadurch auch das Interesse und die Liebe daran? Wie also kann man dann noch erwarten, solche Geschichten erzählen zu können…
Claudia Koppert wurde 1958 in Heidelberg geboren und ist studierte Sozialpädagogin, wusste aber nach Studienende, dass das nichts für sie war. Es zog sie ins Verlagswesen, ab 1981 als Lektorin für Verlage in Heidelberg und Berlin, und sechs Jahre später als freie Lektorin, vorwiegend von Sachliteratur und wissenschaftlichen Texten. Neben einer zweijährigen Lehrtätigkeit an der TU Berlin im Bereich Frauenforschung, hielt sie Vorträge und veröffentlichte erste eigene Texte. Der literarische Durchbruch kam 2003 mit ihrem Roman Allmendpfad.
Wir brauchen mehr dieser Bücher. Mehr Nature Writing. Mehr persönliche Erlebnisse und Erfahrungen und den Austausch darüber. Es gibt genug Regeln, die wir einhalten, genug Aspekte, die wir berücksichtigen müssen. Genug Sachbücher und Fachliteratur, die uns die Welt erklären. Was fehlt, ist die Erfahrung des Einzelnen mit alledem.
Wir brauchen aber auch mehr dieser Naturbücher, die uns die Furcht vor der Naturnähe nehmen. Die Furcht, noch mehr zu stören und zu zerstören. Aber auch die Furcht, wieder Teil des Ganzen zu werden. Es braucht Bücher, die uns von der Naturlust erzählen, von den freiwilligen Entbehrungen, von der Abkehr des Überflusses, von der zivilisatorischen Askese, damit wir wieder hinein finden in die Natur. Kein Ort wäre dafür besser geeignet, als der eigene Garten.
Die vollständige Rezension mit Textzitaten, Illustrationen aus dem Buch und weiteren Infos gibt es auf meinem Blog: https://treibholzinsel.de/2019/08/16/im-vogelgarten-von-claudia-koppert/