Rezension zu "Die Schneekönigin - Kristalle aus Eis und Blut" von C. E. Bernard
„Die Schneekönigin“ von Hans Christian Andersen war in meiner Kindheit eines meiner liebsten Märchen – vielleicht auch, wenn ich heute so darüber nachdenke, weil es mal nicht um Prinzessinnen ging, die von starken Prinzen gerettet werden, sondern um ein kluges, furchtloses Mädchen, das sich auf eine beschwerliche Reise begibt, um ihren Freund aus den Fängen der Schneekönigin zu befreien. Laut dem Nachwort ist das wohl auch einer der Gründe dafür, dass C. E. Bernard sich für ihre Märchenadaption für genau diesen Stoff entschieden hat.
Denn auch in ihrer Adaption des Märchenstoffes geht es um eine starke, junge Frau, die das Schicksal derer, die sie liebt, in die eigene Hand nimmt. Greta lebt als Burgherrin im Norden Norwegens, doch das Leben, das sie und ihr Volk führen, wird bedroht durch das Schmelzen des Eises, was fast schon eine Parabel ist auf unser Leben im 21. Jahrhundert und die Auswirkungen des Klimawandels.
Doch „Die Schneekönigin“ spielt Mitte des 19. Jahrhunderts – C. E. Bernard erzählt von einer fast schon modernen Gesellschaft, in der Frauen seit jeher das Zepter in der Hand haben, abgeschottet vom Patriarchat in den Städten. Dieser Aspekt ist für mich zentral für eine Märchen-Neuerzählung – dass sie unsere heutigen Werte auf eine märchenhafte Handlung adaptiert.
Das ist C. E. Bernard gelungen – ebenso wie das magische Setting und die faszinierende Geschichte um Greta, die sich auf eine gefährliche Reise begibt, um die Schneekönigin um Hilfe für ihren kranken Sohn anzuflehen. Es ist eine abenteuerliche Heldinnen-Reise voller magischer Geschöpfe und spannender Wendungen, die in einem ebenso unerwarteten wie bewegenden und bedeutungsschweren Ende gipfelt. Erzählt in einer wunderbar bildhaften Sprache, die die eisige Kälte des Nordens fast greifbar macht.
Besonders gut gefällt mir dabei, dass C. E. Bernard immer wieder Bezug nimmt auf die Vorlage von Hans Christian Andersen und bestimmte Elemente des Stoffes aufgreift und neu deutet. Das einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein tieferer Einblick in die Figuren und ihr Leben gewesen – Greta steht klar im Fokus, aber es kommen außer ihr so viele weitere, faszinierende Charaktere vor. Ich hätte gern noch einige von ihnen näher kennengelernt. Das ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt an dieser herrlich düsteren und wunderbar inszenierten Märchenadaption, aus der wir (ganz im Sinne eines traditionellen Märchens) am Ende sogar einige wichtige Lehren für unser heutiges Leben ziehen können. Chapeau!