Rezension zu "Das Muschelessen" von Birgit Vanderbeke
Die Familie sitzt am Tisch und wartet auf den Vater, der sich eigentlich nie verspätet. Die Mutter hat Muscheln gekocht, die isst Vater am liebsten, alle anderen nicht, deshalb teilen sich Bruder und Schwester schon einmal die kalt werdenden Pommes, die Mutter dazu gereicht hat. Wenn er nicht bald kommt, sind die Muscheln ruiniert, aber das ist den Muscheln egal.
Während Mutter und Kinder warten, fangen sie an über den Vater zu reden, was sie sonst nie tun. In den Köpfen der Familie tauchen langsam Erinnerungen auf, unschöne, beklemmende. Die Mutter neige zur Harmonie, obwohl der Vater ihr vorwerfe, sie sei pingelig, weil sie jedes Jahr für die Steuererklärung Belege fordert. Belege für Spesen, wenn Vater seine Kollegen wieder einmal großzügig eingeladen hat, Belege die Vater nicht mehr hat. Von ausgegebenem Geld, das sie nicht mehr haben. Der Vater verlässt dann lautstark das Haus und die Mutter spielt Klavier und singt Schubert weil sie sich schuldig fühlt.
Die Autorin hat über 128 Seiten ein düsteres Bild gezeichnet. Die ganze Familie ist depressiv und suizidgefährdet, weil der patriarchalische Vater alle tyrannisiert. Die Geschichte ist ein Longseller geworden, weil sie vortrefflich erzählt. Absolut empfehlenswert.