Das Buch ist Etikettenschwindel. Das Etikett, Titel und Verfasserangabe, suggeriert, dass dies ein Buch von Bettina von Arnim (1785-1859) sei. Dies stimmt aber so nicht. Das Buch stammt von dem Professor für Religionspädagogik Otto Betz (geb. 1927). Zwar greift er für dieses Buch auf Textausschnitte aus Briefen und Werken Bettina von Arnims zurück, schafft aber damit etwas völlig eigenes, was so, insgesamt gesehen, nicht Bettina von Arnim zuzuordnen ist.
Bettina von Arnim war zeitlebens eine sehr facettenreiche Frau. Auf ihr wirkten viele Einflüsse ein, die sie und ihr Denken prägten. Wurde sie in ihrer Jugend sehr von der Kirche, sie wurde in einer Klosterschule erzogen, und ihren Bruder Clemens geprägt, waren es daneben und später auch die Berichte von den Ereignissen in Frankreich, Begegnungen mit verschiedensten Persönlichkeiten, wie auch zB mit Karl Marx und dessen Frau Jenny, usw. Dieser Facettenreichtum kommt auch in ihren Werken zum Ausdruck. Die Palette reicht von romantischen Wahrnehmungen und Empfindungen bis hin zum sozialkritischen "Königsbuch" und dem "Armenbuch"..
In diesem Buch ist der Fokus aber verengt. Speziell gezoomt wird auf den christlichen Glauben in ihrem Weltbild. Die Zitate sind aus den verschiedensten Texten, die bei Bettina von Arnim oft sehr komplex und vielschichtig sind, einfach herausgerissen worden. Der Zusammenhang, in dem das Original steht, ist nicht ersichtlich mehr. Betz versieht jedes Zitat zudem mit einem Titel. Diese Titel sind aber im Grunde schon Interpretation des Zitats durch den Autor. Das jeweilige Zitat wäre durchaus aber auch anders deutbar. Es kommt auf den tatsächlichen Zusammenhang an, in dem Bettina es gebrauchte, um es auf ihre Person hin angemessen zu interpretieren. - Betz hat zwar ein Quellenverzeichnis beigefügt, aber wer hat schon diese Ausgaben, auf die er sich bezieht, um entsprechend nachzuschlagen und nachzuprüfen, zur Hand. Zudem stammen viele Zitate aus Briefwechseln privater Natur, die als solche nicht so ohne weiteres nachprüfbar sind. - Ein weiteres Manko: Er zitiert sowohl aus privaten Dokumenten als auch aus Briefromanen. Die Briefromane sind aber poetische Werke, speziell zu diesem Zweck bearbeitete. Die Verwertung und Bewertung solcher Zitate müsste man unter diesen Gesichtspunkt auch stellen, was hier aber nicht geschieht. Es ist alles durcheinander gewürfelt.
Ich habe mal ein Beispiel herausgegriffen:
Im Kapitel "Alles Leben ist Flamme des erschaffenden Geistes - vom Geist" ist das Zitat Nr. 185::" Wer den Geist der Wahrheit einatmet, wie sollte der ihn nicht auch aushauchen." zu finden. Betz hat diesem Zitat, das aus dem Briefroman "Die Günderode" stammt, den Titel "Der Geist als Atem" gegeben. - Der Titel, vorgegeben, wie gesagt, durch den Herausgeber dieses Buches, ist aber schon Bewertung und Interpretation. Interpretation Betz'. Es ist nicht zwingend herleitbar, sondern nur subjektiv. - Eine mögliche Interpretation wäre zB auch, da Bettina eine sehr denkende Frau war, die auch bestrebt war Zusammenhänge zu erkennen, dass hier Geist als Allegorie für das Denken steht, wie zB in Geisteswissenschaften als Begriff. Dann würde nämlich der Satz bedeuten, dass Denken und Nachdenken zum Erkennen von Wahrheit(en) führt und wenn man diese Wahrheit(en) erkannt hat, diese auch in seinem Handeln dann umsetzt. - Hier meine ich zB auf ihr soziales Engagement hin gesehen, dass bei ihr auch schon in recht frühen Jahren ausgeprägt war und daher durchaus auch in die Briefwechselzeit mit der Günderode (1804 bis 1806) passt.
Betz gibt nicht Bettina von Arnim unverfälscht heraus, sondern zurechtgebogen, damit sie, die sich immer dagegen wehrte eingeengt zu werden, in die Religiösität des Autors Betz hinein passt. Der Autor erschafft sich seine Bettina von Arnim, indem er alles loslöst von ihr, was nicht seinem Konzept entspricht. Diese Person ist dann aber nicht mehr Bettina, sondern nur ein verkürztes und idealisiertes Irgendwas des Religionspädagogen Betz.
Dieses Buch sollte man also eher nicht als Einstieg und zum Kennenlernen von Bettina von Arnim und ihren Schaffen lesen, sondern besser zu den Originalwerken dieser außergewöhnlichen, vielschichtigen und beeindruckenden Frau greifen.