Rezension zu "In all den Jahren" von Barbara Leciejewski
Wie viel Liebe verträgt eine Freundschaft?
Elsa und Finn leben seit zwanzig Jahren Tür an Tür. Fast genauso lange sind sie auch Freunde. Beste Freunde. Mehr nicht, das ist ihnen wichtig. Denn Beziehungen sind kompliziert. Das mussten beide immer wieder erfahren. Elsa war noch nie richtig verliebt, und Finn gerät sowieso immer an die falschen Frauen. Findet zumindest Elsa.
Ihre Freunde sind sich dagegen schon lange sicher: Elsa und Finn sind füreinander bestimmt. Doch ganz so einfach ist das mit den Gefühlen bekanntlich nicht. Und plötzlich ist gar nicht mehr so klar, ob aus Freundschaft nicht doch Liebe werden kann …
Der Einstieg gelingt mühelos, Elsa und Finn sind mir beide sofort sympathisch und auch ihre Interaktionen machen mir sofort Spaß und spätestens ab dem dritten Kapitel bin ich der Geschichte und ihren Figuren komplett verfallen und fühle all ihre Hochs und Tiefs komplett mit.
Leider bleibt dieser Enthusiasmus bei mir nicht bestehen, denn ab einem bestimmten Punkt kann ich die Entscheidungen von Elsa und Finn nicht mehr ganz nachvollziehen - immerhin bin ich damit nicht alleine, denn ihren gemeinsamen Freunden geht es genauso.
Trotzdem fühle ich weiterhin intensiv mit ihnen mit, auch wenn ich zwischenzeitlich ein wenig frustriert von ihrem Verhalten bin und ich mich einfach fragen muss, ob vielleicht zu früh feststand, dass das Buch die Freundschaft über zwanzig Jahren erzählen soll. Denn an einigen Punkten wirkt die Handlung zu gestreckt, die Verzögerungen innerhalb der Beziehung von Elsa und Finn waren für mich nicht immer schlüssig, aber dadurch dass ich mich so schnell in die Figuren verliebt habe, kann ich über viele Kleinigkeiten hinwegsehen und mich einfach auf die Reise mitnehmen lassen; auch wenn ich stellenweise etwas ungeduldig werde.
Ein Punkt stört mich dann aber doch etwas mehr: zwar erleben wir mit Elsa und Finn zwanzig Jahre, sie machen berufliche Veränderungen mit und werden sogar Eltern und doch habe ich ihrem Verhalten nach nicht immer das Gefühl, dass sie wirklich älter werden. Sie machen einige Fehler immer wieder und scheinen dabei nicht wirklich erwachsener zu werden in ihrem Verhalten. Das ging mir schon irgendwann ein wenig gegen den Strich, weil sie und ihr Leben ansonsten eben eindeutig (zwangsläufig) erwachsener werden.
Überhaupt hatte ich in der zweiten Hälfte des Buches häufiger das Gefühl, dass die Erzählung nicht mehr ganz rund verläuft und sich in diesem Teil deutlich weniger persönliche Entwicklung finden lässt. Dadurch kam mir die zweite Hälfte immer wieder deutlich langatmiger vor, was echt schade war, weil ich die Figuren und ihre Geschichte so früh in mein Herz geschlossen hatte und zum Ende hin immer ungeduldiger mit ihnen wurde.
Am Ende war ich jedoch nicht nur von der Geschichte und Beziehung zwischen den Protagonisten gefangen, sondern auch von all den anderen großen und kleinen Geschichten zwischen den restlichen Figuren. Es waren wirklich alle Charaktere wunderbar ausgearbeitet, sodass ich eben nicht nur an der Beziehung zwischen Elsa und Finn mein Herz gehängt habe, sondern auch die Leben (und Dramen) der Nebenfiguren mit Spannung verfolgt habe.
Fazit: An einigen Stellen wies die Geschichte zwar Längen auf, aber die wunderbaren Figuren und die Tiefe, die ihnen gegeben wird, hat mich einfach überzeugen können und mich auch durch die zäheren Stellen relativ leicht gleiten lassen.
(4,5 Sterne)