Jeder Fingernagel ist fachmännisch in einer anderen Schattierung Lila lackiert, von Aubergine bis Lavendel.
»Warum verschiedene Farben?«, fragt sie und streicht weiter mit ihren Fingern über meine.
Ich ziehe rasch die Hand zurück und schlucke. Ich fahre mit dem eigenen Daumen über ein paar Nägel und teile jedem davon einen stummen Wunsch zu, bevor ich die Arme hinter den Rücken nehme. Den Löffel halte ich immer noch fest.
»Ach, ein Geheimnis«, sagt sie mit einem schiefen Lächeln. »Verstehe.«
»Kein Geheimnis.« Ich schaffe es nicht, die Schärfe aus meiner Stimme zu halten. »Es geht dich bloß nichts an.«
Sie nickt mit undurchdringlicher Miene. »Klar. Eine verrückte Fremde, die am Strand komplizierte Meeresbilder ausmalt und sandige Erdnussbutter verspeist, ist nicht gerade vertrauenerweckend.«
»Das ist es nicht.«
»Also gut. Ich bin Eva. Eva Brighton. Jetzt bin ich keine Fremde mehr. Verrückt vielleicht, aber nicht mehr fremd.«
Ich hole tief Luft. Ich will nicht über meine Nägel oder Lila oder sonst irgendetwas reden, das im Entferntesten mit meiner Mutter zu tun hat.
»Ich weiß, wer du bist«, antworte ich, um die Aufmerksamkeit wieder auf sie zu lenken. »Ich heiße Grace.«
Sie bekommt große Augen. »Na, das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Wie bitte?«
Sie lacht, aber es klingt ein bisschen erschöpft, und es kommen wieder ein paar Tränen aus ihren Augen. Sie wischt sie weg, aber nicht so, als schämte sie sich dafür. Eher als wären sie ihr einfach im Weg. »Du bist Lucas beste Freundin. Super erster Eindruck, was? Verwirrtes Mädchen mit Malbuch und Sandfetisch. Echt klasse.«
»Mach dir darüber keine Gedanken.«
Sie nickt, blickt aber weiter in die Gegend anstatt mir ins Gesicht. »Lebst du da?«
Ich folge ihrem Blick Richtung Leuchtturm und mir stockt der Atem. Was für ein bedeutungsschweres Wort – leben. Man könnte es einfach »existieren« nennen. Das Herz pumpt Blut, die Lunge nimmt Sauerstoff auf. Oder es könnte »sich irgendwo niederlassen« heißen. Ein Teil dessen werden, was einen umgibt.
»Fürs Erste.«
»Fürs Erste«, wiederholt sie leise.
Lila lackierte Fingernägel sind das Markenzeichen von Grace und ihrer Mutter Maggie. Dabei könnten sie sonst nicht unterschiedlicher sein: die ehrgeizige Grace will nach der Schule Musik studieren, denn sie ist eine begabte Pianistin. Ihre Mutter dagegen ist das personifizierte Chaos und stolpert von einer schlechten Entscheidung in die nächste, ohne zu verstehen, was sie ihrer Tochter damit antut. Erst als Eva in ihr Leben tritt, glaubt Grace, sich mit ihrer Hilfe endlich aus den Fängen ihrer Mutter und der engen Kleinstadt befreien zu können. Doch als Maggie immer mehr an Bodenhaftung verliert, steht auch die Zukunft der beiden Mädchen auf dem Spiel. Jetzt ist es an Grace, sich und Eva zu retten, und endlich zu lernen, wie man liebt und wie man loslässt.
Ashley Herring Blake hatte schon viele Berufe, aber einem ist sie immer treu geblieben: dem Schreiben. Ob Songtexte, Gedichte oder Romane, Wörter sind ihre Welt. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Nashville, Tennessee.
Hier könnt ihr 10 Exemplare von Eine Handvoll Lila gewinnen und an der Leserunde teilnehmen. Um in den Lostopf zu hüpfen, beantwortet uns einfach bis 15. Februar folgende Frage:
Was ist eure Lieblingsfarbe und warum?
Wir wünschen euch viel Spaß beim Mitmachen!
Euer Magellan-Team