Die Handlung spielt im New York des letzten Kriegsjahres 1945. Lawrence Newman ist ein leitender Angestellter, der sehr gehorsam und pedantisch seine Pflichten erfüllt. Er lebt mit seiner Mutter in einem ruhigen, gepflegten Wohnviertel, in dem es für ihn tagtäglich gleichartig und geordnet zugeht.
Und doch ändert sich urplötzlich sein Leben von Grund auf, als sein Arzt ihm eines Tages wegen seiner zunehmenden Sehschwäche eine Brille verordnet. Denn sein Umfeld findet, dass er plötzlich "jüdisch" aussieht und die damit einhergehenden Vorurteile und Anfeindungen gegen ihn nehmen ihren Lauf.
Gleichzeitig nimmt der Antisemitismus in der ganzen Stadt spürbar immer weiter zu. Es organisiert sich eine Gruppe, die "Christliche Front", mit dem Ziel "Säuberungsaktionen" durchzuführen, um "es denen [den Juden] ungemütlich zu machen", die "Nachbarschaft reinzuhalten" und "von diesen Elementen wegzukommen".
Durch Andeutungen wie hingekritzelte Drohungen auf den Säulen der U-Bahnstation und vage Vorahnungen Newmans wie "Etwas bereitete sich in dieser Stadt vor ..." befindet man sich beim Lesen permanent in Spannung. Neben den wichtigen, leider immerzu aktuellen Themen wie Intoleranz, Diskriminierung, Antisemitismus und Hass, die Miller durch seinen Roman ankreidet, hat mir sehr gut gefallen, wie Miller Newmans Entwicklung von einem stark auf Konformismus fixierten zu einem ausgegrenzten Menschen aufzeigt und was dieses Am-eigenen-Leib-spüren bei ihm, der antisemitischen Diffamierungen bisher recht gefühllos gegenüberstand, ja sogar selbst die gängigen Vorurteile mit einer Selbstverständlichkeit nachplapperte, bei ihm bewirkt. Langsam kommen Newman erste Zweifel...
Sehr passend und voll bitterer Ironie ist dafür das von Miller gewählte Bild der Brille, die Newman, nachdem er früher sozusagen selbst blind für diese Ressentiments war bzw. aus Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit die Augen verschlossen hatte, letztendlich die Augen öffnet.
Als LeserIn leidet man mit ihm mit, nicht weil er ein Sympathieträger ist (das ist er ganz gewiss nicht), sondern wegen der Ungeheuerlichkeit der Dinge, die ihm und seinen jüdischen Mitmenschen widerfahren.
Wie schnell aus leichtfertigen Vorurteilen bitterer Ernst werden kann und sich in der gesellschaftlichen Masse Dinge verselbstständigen und zu einer Katastrophe führen können, ist einfach erschreckend.
Der Roman endet mit keinem typischen Happy End (was ich hier auch als sehr unpassend empfunden hätte), jedoch mit einem guten, weiteren Raum lassenden Schluss.
Arthur Miller ist für seine sozialkritischen Dramen bekannt, insbesondere für "Tod eines Handlungsreisenden", für das er 1949 den Pulitzer-Preis gewann. Btw: Er war 5 Jahre lang mit Marilyn Monroe verheiratet.
"Fokus" (auch als "Brennpunkt" bekannt) ist Millers einziger Roman, erschienen 1945.
Die Ausgabe der Büchergilde (selbst gekauft) enthält wunderschöne Holzschnitte von Franziska Neubert.
Arthur Miller
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Tod eines Handlungsreisenden
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Unscheinbares Mädchen, ein Leben
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Rezension zu "Hexenjagd" von Arthur Miller
Von einer Freundin ausgeliehen bekommen: Hexenjagd von Arthur Miller. Im Jahr 1952 zum ersten Mal veröffentlicht, spielt es in der Zeit von 1692.
Natürlich wurde es unendlich oft beschrieben, aufgeführt, diskutiert, rezensiert. Nichtsdestotrotz ist es mir erst jetzt in die Hände gefallen und schockiert mich unendlich. Natürlich ist mir bekannt, warum in früheren Zeiten Jagd auf angebliche Hexen gemacht wurde. Die Brutalität in „Hexenjagd“ muss aber auch schon bei der damaligen Erstveröffentlichung und Aufführung zu heftigen Gefühlsregungen beim lesenden oder schauenden Publikum geführt haben. Bei mir zumindest hat es einiges ausgelöst.
Vor lauter Neid, Eifersucht, Habgier und den anderen üblichen schlechten Eigenschaften der Menschheit, kommt es zu unendlich grausamen Taten der Gerichtsbarkeit. Denunziantentum muss man sich gut überlegen. Gerade das können, wie Miller eindrucksvoll beweist, von Raffgier und Hass belastete Menschen überhaupt nicht mehr überblicken. Junge Mädchen tanzen verbotener Weise mitten in der Nacht im Wald und führen angeblich Unrechtes aus. Sie werden erwischt. Der Schock lässt sie zu zum Teil unüberlegtem Handeln und Reden verführen.
Welch Schaden sie anrichten können, wenn sie zur rechten Zeit am rechten Ort gegenüber zu zum Handeln berechtigte Personen den Mund aufmachen, das erzählt die „Hexenjagd“. Und es ist zeitlos. Es kann überall passieren. Wie aber Erwachsene so auf Teenager hereinfallen können, und das ist ja nichts ungewöhnliches, ist schockierend. Darüber hinaus spielt der Glaube, wie so oft, eine entscheidende Rolle. Wer nicht den rechten Glauben hat, das auch nicht beweisen kann, ist schuldig. Wer nicht gesteht, dem kann man nicht vergeben, wird gehängt, verbrannt, was auch immer.
Dieses Motto kommt auch in bekannten Serien vor. Wir sitzen vor dem Fernseher, glauben, das kann nur in vergangenen Zeiten oder in der Phantasie von Regisseuren passieren. Aber nein. Auch heute passiert das. Nicht nur fern auf irgendwelchen Inseln, nein, die Hexenjagd heute heißt wie auch damals schon: wer nicht den rechten Glauben hat, oder Hautfarbe, oder Beruf oder oder oder, der wird verfolgt. Gnadenlos. Verliert das Recht auf Leben, wie gerade erst passiert. Da braucht es noch nicht einmal junge Mädchen, wie in Hexenjagd, die sich einbilden, vom Teufel besessen zu sein, um andere Menschen anzuschwärzen. Im Theaterstück waren zeitweise Hunderte inhaftiert, das Todesurteil für viele bereits unterschrieben.
Was mich besonders aufgeregt hat, ist, dass es für die ersten Gehängten bereits zu spät war, die Todesurteile rückgängig zu machen. Und dass es sich um Personen handelte „um die es ja nicht so schlimm war“, weil sie nicht das Ansehen in der Gemeinde hatten. Das ist natürlich bei anderen viel schlimmer, die kann man doch nicht sterben lassen. Dass es viele, viele Jahre gebraucht hat, um die Exkommunikationen rückgängig zu machen. Dass ausgerechnet die Denunzianten vom Tod der angeblichen Hexen profitiert haben, die Opfer und deren Nachkommen um ihre Rechte kämpfen mussten, wie Miller beschreibt. Kommt einem das nicht bekannt vor? Dieses Drama in 4 Akten ist für mich eines der wichtigsten Theaterstücke, die nie alt oder gar unmodern werden.
Im Internet findet sich ausreichend Material über Miller und seine Werke.
Auch wenn er in den USA zur Zeit des 2. Weltkrieges spielt, ist der Handlungsort eigentlich nebensächlich. Alltags-Rassismus ist leider noch viel zu verbreitet, weswegen ich dieses Buch zu den wichtigen Romanen unserer Zeit zähle.
Ich hatte bisher noch gar nicht von diesem Buch gehört. In der Schule haben wir dieses Thema damals nicht durchgenommen. Klar, der 2. Weltkrieg und was damit zusammen hängt war etwa 4 Jahre lang Hauptthema in allen Fächern, von Deutsch über Geschichte bis zur Religion. Aber der Schwerpunkt lag auf der deutschen Geschichte und unserer Verantwortung zu diesem Thema. (Zumindest gefühlt war das so. Und nach dem 2. Weltkrieg brach die Geschichtsschreibung ab.) :=)
Alles in allem ein gutes Buch, dass nicht an Aktualität eingebüßt hat.
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Arthur Miller wurde am 15. Oktober 1915 in New York City (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
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