Rezension zu "Brokeback Mountain, 1 Blu-ray" von Annie Proulx
Juni. LGBTQI - Monat!
E. Annie Proulx glaubte schon selbst nicht mehr daran, daß ihre Novelle "Brokeback Mountain" jemals das Licht der Leinwand erblicken würde. Das erste Team, das sie verfilmen sollte sprang aus diversen Gründen verschreckt ab. Die Autorin war nicht unbedingt davon überzeugt, daß der Großstädter und taiwanesische Regisseur Ang Lee der Wichtige ist. Aber sie war sehr angenehm überrascht wie werkgetreu der Film dann wurde und wie kongenial Diana Ossana und Larry McMurtry die Novelle im Drehbuch erweitert hatten.
Ich kenne sowohl die literarische Vorlage als auch die Verfilmung und kann das deshalb vergleichen. Der 21jährige Student Matthew Shepard ist kurz hinter Laramie in Wyoming an einen Wildzaun gefesselt worden und durchlitt ein Martyrium, bevor er starb, nur weil er Männer liebte. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Matthew_Shepard
Die Autorin betont, daß das keine Geschichte über zwei schwule Cowboys ist, sondern über destruktive Homophobie in solch konservativen Landstrichen wie eben beispielsweise Wyoming.
1963 kommen Ennis Del Mar ( Heath Ledger ) und Jack Twist ( Jake Gyllenhaal) als angeheuerte Cowboys am Brokeback Mountain zusammen, um Schafe zu hüten. Diejenigen, die Kühe betreuen schauen voller Verachtung auf solche Burschen herab.
Nichtsdestotrotz ist es gute Arbeit in jenen Monaten, aber sehr einsam. Beide betonen immer wieder nicht schwul oder bi zu sein, aber es kommt zur ersten Liebesnacht zwischen den beiden.
Daraus erblüht Passion und eine Romanze und ja, Liebe. Die beiden wollen es nur nicht in klaren Worten wahrhaben. In diesem Fall aber sind Körpersprache, Mimik und wortlose Gesten mehr als die manchmal schwache Sprache. In dieser Trias drückt sich doch deutlich ihre sehr starke Zuneigung aus.
Aber was nicht sein darf, darf nicht sein. Damals sowieso nicht und erst recht nicht in solchen speziellen Bundesstaaten. Ihre Wege trennen sich also. Ennis bleibt in Wyoming, heiratet Alma ( Michelle Williams ), bekommt mit ihr zwei Töchter. Jack ist gar Rodeoreiter, heiratet Lureen ( Anne Hathaway ), wird Vater eines Sohnes und hat einen herrischen Schwiegervater.
Über die Jahre treffen sich Ennis und Jack immer wieder, um dann ihrer Leidenschaft und Liebe zu frönen. Andere haben Paris, sie nur Brokeback Mountain. Alma bekommt die Affäre mit, weil sie beide sich leidenschaftlich küssen sieht. Die Ehe zerbricht. Ennis ist allein.
Ihm gefällt nicht, daß Jack ab und an nach Mexiko geht um dort eindeutigen maskulinmaskulinen Abenteuern nachzugehen. Er ist uneingestanden eifersüchtig. Er ahnt nicht, daß Jack einen neuen ( verheirateten ) Lebensgefährten hat, da unten in Texas.
Jack versucht alles um Ennis endgültig für ein gemeinsames Leben zu gewinnen, aber ist dieses Trachten nicht sinnlos? Unter diesen Umständen?
E. Annie Proulx hat einen scharfen, nuancierten und empathischen Blick für das allzu Menschliche und die feinsten Zwischentöne. Dieses Fragile ist superb in die Verfilmung eingeflossen und diese ist in der Tat äußerst werkgetreu. Viele Dialoge wurden wortwörtlich übernommen.
Der Film ist wunderschön, zerbrechlich, todtraurig, anrührend, melancholisch, hat einen Soundtrack, der eine Gänsehaut verursacht, vor allem das instrumentale Titelstück mit der Gitarre. Zum Weinen bringend und zurecht mit Oscars prämiert. Schade nur, daß der mit 28 Jahren viel zu früh verstorbene Heath Ledger nicht ausgezeichnet wurde. Denn er verkörpert Ennis Del Mar mit viel Einfühlungsvermögen, Vitalität und authentischer Tragik.
Nur eine Frage zum Schluß: Wie der queere Rupert Everett schon wissen wollte. Warum können und dürfen heterosexuelle Schauspieler Homosexuelle ( oft genug überzeugend ) spielen, aber Homosexuelle ( oft genug ) nicht heterosexuelle Lover? Hallo? Deswegen sind sie doch Schauspieler! Um jemanden zu impersonisieren, der sie im echten Leben nicht sind.