Annemarie Schwarzenbach

 4 Sterne bei 50 Bewertungen
Autor*in von Eine Frau zu sehen, Das glückliche Tal und weiteren Büchern.

Lebenslauf von Annemarie Schwarzenbach

Annemarie Schwarzenbach wurde 1908 als Kind einer Zürcher Industriellenfamilie geboren. Nach dem Studium in Zürich und Paris veröffentliche sie mit 23 Jahren ihren ersten Roman »Freunde um Bernhard«. Von 1933 an unternahm die rastlose Schriftstellerin und Journalistin, die eine enge Freundschaft mit Klaus und Erika Mann verband, Reisen in ferne Länder, über die Sie in zahlreichen Reportagen schrieb. Sie starb 1942, geschwächt durch lange Jahre der Drogensucht, an den Folgen eines Fahrradunfalls.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Ausgewählte Werke von Annemarie Schwarzenbach / Tod in Persien (ISBN: 9783039250226)

Ausgewählte Werke von Annemarie Schwarzenbach / Tod in Persien

 (2)
Neu erschienen am 16.01.2023 als Taschenbuch bei Lenos.

Alle Bücher von Annemarie Schwarzenbach

Cover des Buches Eine Frau zu sehen (ISBN: 9783036961033)

Eine Frau zu sehen

 (15)
Erschienen am 12.05.2020
Cover des Buches Das glückliche Tal (ISBN: 9783857878282)

Das glückliche Tal

 (8)
Erschienen am 28.03.2022
Cover des Buches Orientreisen (ISBN: 9783869151502)

Orientreisen

 (3)
Erschienen am 14.09.2017
Cover des Buches Freunde um Bernhard (ISBN: 9783857873904)

Freunde um Bernhard

 (3)
Erschienen am 01.01.2008
Cover des Buches Flucht nach oben (ISBN: 9783857876943)

Flucht nach oben

 (2)
Erschienen am 01.06.2005
Cover des Buches Jenseits von New York (ISBN: 9783857872167)

Jenseits von New York

 (2)
Erschienen am 01.01.1992

Neue Rezensionen zu Annemarie Schwarzenbach

Cover des Buches Das glückliche Tal (ISBN: 9783857878169)
A

Rezension zu "Das glückliche Tal" von Annemarie Schwarzenbach

Elegie der Einsamkeit und der Freiheit
Almut_Scheller_Mahmoudvor 2 Jahren



Annemarie Schwarzenbach war eine Reisende, eine rastlos Reisende. Immer umarmt von der Sehnsucht nach Freiheit. Das mag in den den Zeiten ihres Lebes (1908 bis 1942) skurril erscheinen, zumal sie aus einer wohlhabenden, nein reichen Zürcher Familie stammte, ihr Vater war einer der größten Seidenfabrikanten der Welt und ihre Mutter und andere Familienmitglieder liebäugelten mit dem Nationalsozialismus.

Sie hatte trotzdem eine behütete Kindheit und auch die Mittel, ihre Reiseträume zu verwirklichen. Zu ihrem großen Freundeskreis gehörten u.a. die Geschwister Klaus und Erika Mann. Ich las den Namen Annemarie Schwarzenbachs zum ersten Mal in der Autobiographie von Klaus Mann„Der Wendepunkt“, lang lang ist’s her. 

Obwohl Annemarie Schwarzenbach auch andere Länder bereiste, gehörte der orientalische Osten zu ihren Sehnsuchtsorten: Immer wieder Persien. 1939 reiste sie mit der Schweizerin Ella Maillart in einem Ford über Land bis nach Afghanistan. Lange bevor es den Hippie-Trail gab. Und kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs. Was für zwei wagemutige allmutige junge Frauen. Über Land, allein, im Auto, in weltgeschichtlich verlassene „finstere“ Gegenden. Über diese Reise wurde Jahrzehnte später ein Film gedreht und es gibt zudem ein wunderbares Buch „Unsterbliches Blau. Reisen nach Afghanistan“ mit Fotos von Schwarzenbach und Maillart aus den Jahren 1939/1940, die mit den Ablichtungen Nicolas Bouviers aus den Jahren 1953/1954 eine einzigartige Verbindung eingehen.  Ihr Hang zu den orientalischen Gefilden mag ein unbewusstes seidiges Echo auf die Herkunft des familiären Vermögens sein.


Schwarzenbach war morphiumsüchtig und mehrfach in entsprechenden Behandlungen, auch wegen suizidaler Tendenzen. Für mich ist sie ein Beispiel jener merkwürdigen Zeit, zwischen den Kriegen, in der Schweiz selbst verschont, geschliffen von den Codes einer „abgehobenen“ Gesellschaft. Interessanterweise entdecke ich mögliche Parallelen zu Fritz Zorns „ „Mars“, auch er ein Kind der reichen Zürcher Oberschicht, geformt von den unausgeprrochenen To dos, to have and not to dos dieser Klassengesellschaft. Er führte seine Krebserkrankung auf diese interna-lisierten, lieblosen Gesetze zurück und auch Annemarie Schwarzenbachs intensives Verlangen nach Freiheit, verbunden mit ihrer Morphiumsucht könnte man dahingehend interpretieren. Sie selbst beschreibt es so: „Das Leben in der zivilisierten Welt braucht Hilfsmittel, um die unbeque-men Träume zu vernichten.“ Ein durchstrukturiertes Leben der Pflichten. 


In diesem kleinen Büchlein, das tragisch durchzogen ist von wechselnden Stimmungen und Euphorien der gesuchten und zugleich gefürchteten Einsamkeit, vom Hohen Lied der Freiheit, schält sich schon sehr viel „J’accuse“ der westlichen heuchlerischen Zivilisation heraus und sie war damit wahrscheinlich ihrer Zeit voraus: „Ich habe den Sitten des Abendlandes den Rücken gekehrt. Und ich frage mich, um welchen Preis erkaufen sie dort den Frieden ihrer Seele? 

Angst hat Euch gepackt, wenn der Wall Eurer Sitten und Gewohnheiten nicht mehr standhält, Eure Maße und Ziele nichts mehr gelten“ .

Das Tragische an ihrem Leben ist, dass sie weder dort noch hier ihren Seelenfrieden gefunden hat. Vielleicht für Momente in den Umarmungen von Jalé, einer großen fraulichen Liebe, vielleicht in den Begegnungen mit  Gauklern, Magiern, Schlangenbeschwörern, Feueranbetern, Haschisch-essern und Opiumrauchern. Vielleicht in den Erkundungen der Orte wie Tiflis, Isfahan, Kerbela, Aleppo, Damaskus, Bagdad, Tripolis, Schiras und dem „glücklichen Tal“ mit dem Blick auf den sich immer im Spiel des Lichts anders präsentierenden Demawend, 

In all der nomadischen Lebensweise ertönen immer wieder Heimwehklänge auf, Sehnsucht nach der behüteten Kindheit, den sanften Abenden, den Wiesen und Wäldern. Und der Angst, den Heimweg als Verlorene Tochter nicht mehr zu finden. Und dann wieder Passagen, die fast trotzig niedergeschrieben sind: „Man hat nur ein einziges Leben und es will nicht verschwendet und vergeudet sein.“ 

Nein, Annemarie  Schwarzenbach hat ihr kurzes Leben trotz aller innewohnenden Zerrissenheit nicht verschwendet und vergeudet. Denn sie war ja nicht zur Reisende, sie arbeitete an archä-ologischen Ausgrabungen mit, sie schrieb, sie fotografierte und ihr Nachlass ist ein Bild jener Zeit aus der Feder und mit dem Blick eines ganz besonderen Wesens.

Immer wieder elegische wehmutsvolle Gedanken an die vergehende Zeit: „Man müsste sich erinnern, zurückgehen, Schritt für Schritt, dann würde man sich vielleicht am Anfang wiederfinden. Alles noch einmal sehen, noch einmal zurückkehren.“

Da taucht viel Schmerz auf über das Wechselvolle des Lebens: das was man hat, das was möch-te: „mein Gepäck sollte Immer leichter werden, keine Gegenstände, keine Namen, keine Bilder, keine Bücher und kein Dach über dem Kopf.“ 

Aber können solche Wünsche nicht nur entstehen, wenn man eigentlich alles hat? Wenn da als Grundstock der Maslow’schen Pyramide die ökonomische Absicherung vorhanden ist?


Ganz wunderbar in dieser Prosa der Ich-Findung und zugleich der Ich-Entfremdung ist ihre poetische Sprache, ihre übersetzte Sprache der Natur mit wunderbaren Schilderungen des Tals, der Einöde, des Brausens des unsichtbaren Windes, des monotonen Rieselns des Gerölls.

Und die Farbigkeit der nomadischen Nachbarn, der ziegenfilzigen Zelte, der leuchtenden Röcke der Frauen und talabwärts eine andere Natur: Dschungel, Urwald, Reisfelder, Wasserbüffel. 


Es ist nicht einfach, sich dem Rhythmus der Sprache und den hin und her springenden Gedanken und Gefühlswelten anzupassen, aber es ist eine Mühe, die sich lohnt. Ein wichtiges kleines Buch aus einer Zeit, die uns heutigen Lesern so weit entfernt scheint: Mitte der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. 

Es ist elegisch wie die Duineser Elegien von Rilke, hin und her schwankend wie ein Bambusrohr wie das Glück, das sich der Klage über das menschliche Sein beugt.

Und wer möchte nicht gelegentlich ein Bambusrohr sein?


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Cover des Buches Ausgewählte Werke von Annemarie Schwarzenbach / An den äussersten Flüssen des Paradieses (ISBN: 9783857874703)
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Rezension zu "Ausgewählte Werke von Annemarie Schwarzenbach / An den äussersten Flüssen des Paradieses" von Annemarie Schwarzenbach

Die Lebensreise Annemarie Schwarzenbachs
HansDurrervor 5 Jahren

Diese zum Teil unveröffentlichten Textausschnitte, erfahre ich aus dem Klappentext, entstanden zwischen 1933 und 1942, während Annemarie Schwarzenbachs Fahrten durch Europa, nach Asien, Afrika und in die USA. Herausgeber Roger Perret erläutert: „In dieser Textcollage können die verschiedenen Fahrten als ein Vorhaben, als eigentliche Lebensreise Annemarie Schwarzenbachs erfahren werden.“ 
 
Textcollage trifft es gut, Lebensreise ebenso. Sinnigerweise beginnt das Ganze mit einem Kapitel über die Schweiz, dem dieser ganz wundervolle Satz vorangestellt ist: „Why do we leave this loveliest country in the world?“ Weil damals (1933-1935) zum Beispiel Syrien ein überaus anziehendes Land war. „Syrien stellt sich dem Reisenden vor als ein fruchtbares Küstenland, der Côte d'Azur manchmal verblüffend ähnlich, mit graublauen Olivenbäumen und gelben Felsen, Farbtöne Cézannes, den schönen Abhängen des Libanon, auf seinem höchsten Kamm noch schneegekrönt, und einer belebten, erstrangigen Asphaltstrasse, die dem blauen Meer entlang Fischerdörfer und Kreuzritterstädte miteinander verbindet. Aber, dieses Syrien ist das des ersten Aspekts, vorbehalten den Leuten, die auf Luxusdampfern zur Osterzeit eine Mittelmeerfahrt unternehmen.“ Im weiten Inneren des Landes sieht es jedoch anders aus, das regiert die „Atmosphäre der Wüste, der grossen, unter einer blendenden Sonne liegenden Landstriche ...“. 
 
Schwarzenbachs Schilderungen von Iran (über Teheran notiert sie unter anderem: „Wie in Innsbruck sehen die schneebedeckten Berge überall in die breiten Strassen hinein.“) machen mich nicht nur neugierig auf dieses mir unbekannte Land, sondern sehnsüchtig. Und über die Schiiten lese ich, sie seien „die Feinde jedes Fortschritts und hassen nicht nur die Europäer, sondern alles, was auf Veränderung und Bewegung hinweist, denn ihre Religion verlangt ja den ewigen Rückblick, die fruchtlose Anklage, den Zustand der Feindschaft und Verschliessung.“ 
 
„An den äussersten Flüssen des Paradieses“ ist sowohl Reisebericht als auch politische Aufklärung. Doch vor allem ist es reflektierende Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben. „... aber ich gestehe, dass ich geneigt war, angesichts der Wüste, die einmal der Boden der frühesten Kultur gewesen ist, an allen Realitäten der Vergangenheit wie der Zukunft zu zweifeln, denn wir glauben so recht von Herzen doch nur an den Augenblick, den es nicht gibt.“
 
Es finden sich auch kurze Briefauszüge in diesem schön gestalteten, gut in der Hand liegenden Band, etwa an Klaus Mann, Carl Jacob Burckhardt oder Arnold Kübler. An letzteren mit der Ortszeile Sils-Baselgia (und natürlich taucht dabei vor meinem inneren Auge sofort die Oberengadiner Landschaft auf) zum Beispiel diese Zeilen: „Sie sprechen immer mit so etwas wie Neid von der Freiheit des Reisens, von Ihrem soliden Redaktionstisch aus [...] Muss ich Ihnen sagen, mit was, für gewisse Menschen, die Orient- und Abenteuer-Fahrten erkauft sind?“
 
„An den äussersten Flüssen des Paradieses“ ist nicht nur ein vielfältig anregendes, sondern ein auch immer wieder zum Schmunzeln einladendes Buch. „Noch eine Stunde bis Baku ... und als ich auf das Deck hinaustrete, sieht man schon eine grosse Bucht, und auf der linken Seite etwas, was ich zuerst für einen Pinienwald halte – und dann erkenne, dass es Öltürme sind, die dicht nebeneinander ein grosses, gelbes Feld bedecken.“ 
 
Herausgeber Roger Perret legt mit diesen höchst ansprechenden Texten nicht einfach eine Auswahl, sondern so recht eigentlich eine sehr gelungene Komposition vor. Ergänzt wird sie durch einen hilfreichen Anhang, der auch Quellenhinweise sowie eine Biographie der Reisenden Annemarie Schwarzenbach umfasst.

Das Copyright © liegt beim jeweiligen Autor der

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Mit „An den äussersten Flüssen des Paradieses“ haben der Lenos Verlag und Roger Perret eine beeindruckende Sammlung von Reiseberichten veröffentlicht, die die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach von 1933 bis 1942 über ihre Begegnungen und Erfahrungen in Europa, Russland, im Nahen Osten und in den USA verfasst hat. Schwarzenbach spannt den Bogen hierbei in poetischer Sprache von märchenhaften Beschreibungen der Landschaften in Syrien, dem Libanon, dem Iran und Irak bis zur sozialkritischen Studie in den USA und Europa.

Schwarzenbachs Sammlung und Reiselust entstand zu einer Zeit, als die Welt kurz vor dem Abgrund stand. Während sich Europa und die USA für den Krieg rüsten und der Antisemitismus den ganzen Kontinent beherrscht, sind auch die Tage des idyllischen Paradieses in Vorderasien gezählt. Durch Schwarzenbachs Texte offenbart sich eine Welt, die es heute nicht mehr gibt, in der die USA so für die Schriftstellerin und Journalistin zu einem düsteren und dreckigen Lebensumfeld werden, während sie voller Sehnsucht Richtung Orient blickt. Immer wieder reflektiert sie in ihren Erzählungen auch den Zustand des Reisens und des „Immerweiterziehens“.

„Dies ist […] die größte Gefahr einer langen Reise: Da man beständig aufbricht oder die Zeit möglichst nützlich und ohne allzu große Ermutigungen ausfüllt bis zum nächsten Aufbruch und dann jedesmal wieder abrechnet, als sei es endgültig, so ist man sich ständig bewusst, dass Tage derart vergehen und dann Monate, und dass ganze Leben nur aus einer kleinen Zahl solcher Unternehmungen besteht.“

Mit viel Mut stürzt sich die Autorin in ihre Reisen, zu einer Zeit, als man nicht so einfach in ein Flugzeug stieg, um einen anderen Kontinent zu besuchen. Die Sammlung aus dem Lenos Verlag zeigt Schwarzenbach als eine zerrissene Seele, die immer zwischen dem Zuhause und dem Fernen schwankt, während ihr Heim, die neutrale Schweiz, vom Zweiten Weltkrieg umringt wird. Immer scheint sie auf der Suche zu sein und kommt nicht an ihr Ziel. Zeit nimmt sie sich lediglich für die wunderschönen Beschreibungen von Sonnenuntergängen, kleinen Dörfern und Wanderungen in der Natur, die die erste Hälfte dieses Buches ausmachen und dann relativiert werden, wenn Schwarzenbach über ihre Reisen nach Deutschland, in das Baltikum und die Tschechoslowakei schreibt. „An den äussersten Flüssen des Paradieses“ wird somit zu einer Reportage, die zum Träumen einlädt, aber auch die bittere Realität nicht verschweigt und zum Nachdenken anregt.

Mich haben die kurzen Länderstudien sehr begeistert und beeindruckt. Konnte ich mir durch die authentischen Beschreibungen des Orients die Marktplätze in Syrien und Co. bildhaft vorstellen und fast schon den Wüstenwind auf meiner Haut spüren, werden die Berichte auch dadurch besonders interessant, wenn diese von Briefauszügen an Schwarzenbachs Freunde und Tagebuchauszüge begleitet werden. Für „An den äussersten Flüssen des Paradieses“ möchte ich eine große Empfehlung aussprechen!

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