Rezension zu "Ich denke, aber wer ist Ich?" von Anne Carina Hashagen
In "Ich denke, aber wer ist ich?" gehen die Autoren - der Philosoph und Informatiker Riccardo Manzotti sowie die Wirtschaftswissenschaftlerin und Schriftstellerin Anne Hashagen - den Fragen nach, welchen Sinn unsere Existenz besitzt und wie dieser mit unserem Streben nach Glück und Zufriedenheit zusammenhängt. Ihr Ausgangspunkt ist dabei die noch fundamentalere Frage nach dem Wesen des Menschen. Wer oder was ist eigentlich das "Ich", um das herum sich alles zu kreisen dreht? Ein Körper oder ein Gehirn oder gar eine unsterbliche Seele? All diese Antworten lassen sich laut den Autoren wissenschaftlich und logisch nicht aufrechterhalten. Auf Basis von Manzottis "Spread-Mind-Theorie" entwickeln sie stattdessen einen alternativen Ansatz: "Wir sind die Welt, die wir wahrnehmen" (S.56). "Das Gehirn 'erschafft' keine Welt, weder eine physische noch eine mentale - Gehirn und Körper erlauben es einer Welt, stattzufinden." (S.59). "Sinn bedeutet, an etwas Größerem teilzunehmen, sich über den reinen Individualismus zu transzendieren." (S.76)
Obwohl nur 191 Seiten stark, enthält das Buch eine beeindruckende Fülle von Themen und Ideen. Die Darstellung orientiert sich laut der Autoren stets am aktuellen Stand der Natur- und Sozialwissenschaften, doch es fließen immer wieder auch Gedanken aus Philosophie, Religion, Literatur und modernen Medien in die Argumentation ein. Dies macht die Lektüre kurzweilig und verbindet die Grundidee des Buches mit vielen brisanten und aktuellen Fragen und Debatten (z.B. "Leben wir nur in einer Simulation?" oder "Können wir uns wirklich frei für unser Handeln entscheiden?").
Besonders erwähnen möchte ich noch die ethischen und sozialen Konsequenzen, die im zweiten Teil des Buches zunehmend eine Rolle spielen und sich aus den Erkenntnissen der vorherigen Kapitel ergeben: "Da wir die Welt sind, ist Glück in der Welt zu finden. So simpel es klingt - wenn wir glücklich sein wollen, müssen wir die Welt, mit der wir interagieren, glücklich machen. Dies kann nur eine Welt sein, die auf Gemeinschaft und Kooperation fußt, gefüllt mir Hoffnung, sozialer Gerechtigkeit und einer gesunden Natur." (S.122/123)
Zum Abschluss noch ein Zitat des amerikanischen Religionsphilosophen Alan Watts (der auch im Buch direkt erwähnt wird), das aus meiner Sicht die Grundidee des Buches schön wiedergibt: "Man hat uns dazu erzogen, uns als isolierte Zentren der Bewußtheit und Aktivität zu erfahren, in eine Welt gesetzt, die nicht die unsere ist. Hingegen beschreiben Ökologen menschliches Verhalten als ein Geschehen. Was wir tun, ist das, was das gesamte Universum an dem Ort, den wir 'hier und jetzt' nennen, tut, ebenso wie eine Welle etwas ist, das das gesamte Meer am betreffenden Ort tut." (aus: "Das Tao der Philosophie")