Rezension zu "Finsterau" von Andrea Maria Schenkel
Üblicherweise locken mich dünne Bücher ja nicht so sehr, aber diesmal hat mich der Klappentext „überredet“, diesen Krimi, der auf einem wahren Mordfall beruht, zu lesen.
„Ein Dorf im Bayerischen Wald, 1944: Schwanger kehrt Afra in die ärmliche Enge ihres Elternhauses zurück, das sie Jahre zuvor verlassen hat. Für ihren streng katholischen Vater ist das ein ständiger Stein des Anstoßes und die Auseinandersetzungen nehmen noch zu, nachdem das »Kind der Sünde« geboren ist. Eines Tages liegt Afra erschlagen in der Stube neben ihrem blutüberströmten Sohn“
So weit der Klappentext.
Das Ehepaar Zäuner lebt, ohnehin schon durch Armut und religiösen Eifer als ziemlich verschroben bekannt, am Rande von Finsterau. Die einzige Tochter Afra hat früh das Elternhaus verlassen und als sie schwanger zurückkehrt, scheint vor allem Johann Zäuner seiner Wut und seiner Enttäuschung freien Lauf zu lassen. Zudem kommt, dass er während der NS-Zeit einmal in aller Öffentlichkeit für christliche Werte eingestanden ist und als „Dank“ dafür acht Wochen im Gefängnis verbracht hat über die er Zeit seines Lebens kein Wort verlieren wird.
Eine Tochter mit einem ledigen Kind passt so überhaupt nicht in sein Weltbild. Das lässt er Afra, den kleinen Albert und auch seine Frau täglich spüren. Seine Gläubigkeit scheint sich regelrecht in einen religiösen Wahn hineinzusteigern und es mehren sich Anzeichen einer beginnenden Demenz. Daher ist es für die anderen Dorfbewohner klar, nur der Johann kann der Täter sein. Auch die Polizei bemüht sich gar nicht, einen anderen Täter auch nur in Betracht zu ziehen.
»Vielleicht hatten sie recht, und er war es gewesen, aber er war doch nicht verrückt. Er stand auf und lief wieder in der Zelle umher.«
Erst 18 Jahre später kommt durch einen betrunkenen Gast in der Gaststube des Dorfwirtshauses der Stein ins Rollen und die Wahrheit ans Licht.
Meine Meinung:
Dieses Buch ist mein erstes von Anna Maria Schenkel, doch es wird nicht das Letzte sein. Auf nur 128 Seiten gelingt es der Autorin die beklemmende, bigotte Stimmung in diesem Dorf und vor allem in der häuslichen Enge der Familie Zäuner darzustellen. Für mich ist es immer wieder erstaunlich und hohe Kunst, auf wenigen Seiten ein so spannenden Buch schreiben zu können.
In diesem Krimi sind nicht nur Afra und ihr Sohn die Opfer, nein auch ihre Eltern, allen voran der Vater ist ein Opfer der Zeit, der Umstände, der Unfähigkeit der Polizei und der Vorverurteilung durch die vorgefasste Meinung eines ganzen Dorfes.
Geschickt wird durch kurze Kapitel, die Geschichte aus der Sicht der Beteiligten erzählt. Der häufige Perspektivenwechsel erzeugt ein düsteres, beklemmendes Bild eines kleinen Dorfes mitten im Bayrischen Wald während der NS-Zeit sowie in den anschließenden Jahren.
Fazit:
Ein düsterer, beklemmender Krimi, der durchaus als Zeitdokument gelten kann und dem ich gerne 5 Sterne gebe.