Ich verneige mich in tiefer Ehrfurcht vor dem Talent, eine so komplexe Welt zu erschaffen dass Leser sich förmlich darin verlieren! Ich hatte die Geschichte vor längerer Zeit bereits einmal angefangen, doch das Thema ist nicht das was ich üblicherweise lese, so wurde ich von anderen, actionreicheren Büchern wieder abgelenkt. Nachdem ich nun in "Die sieben Zeichen des Zorns" immer wieder Verweise auf "Roen Orm" fand hat mich die Neugier doch wieder gepackt. Und obwohl die Geschichte sehr ruhig erzählt wird, ist der Stil doch so fesselnd und so flüssig erzählt, dass ich, einmal eingelesen, kaum mehr aufhören konnte
Man muss sich auf die Geschichte einlassen. Sie lässt sich sehr viel Zeit und hat mehrere Personen die ziemlich gleichwertige Rollen übernehmen. Über einen längeren Zeitraum entwickelt sich eine sehr komplexe Geschichte um Intrigen, Macht und Verrat, Liebe und Verlust, Kampf und Magie. Die Story spielt in zwei Welten und umfasst mehrere Erzählstränge, in denen verschiedene Protas ihre Abenteuer erleben und ihr Schicksal erfüllen um am Ende den Kampf um Roen Orm und das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkel, zwischen den Söhnen des Lichts und den Töchtern der Dunkelheit, zwischen dem Sonnengott Ti und der Mondgöttin Pya wieder herzustellen.
Das Gesamtwerk ist sehr vielschichtig, aber dennoch nie verwirrend, einzig die vielen Namen können etwas irritieren. Doch wenn man an der Geschichte dran bleibt ist das auch kein Problem.
Sehr gut gefallen haben mir auch die Zitate, die jedem Kapitel voran gestellt wurden. Zum Teil sind es Ausschnitte aus Reiseberichten, aus Theaterstücken, aus religiösen Werken oder aus Lebenserinnerungen. Doch oft genug fand ich Weisheiten darin die ich auch auf mein banales Kleinstadtleben anwenden könnte.
Wer meine anderen Rezis anschaut sieht dass ich normalerweise der Typ für Romane bin, die in einer kurzen, "knackigen" Zeitspanne ablaufen, mit viel Action und einer Handlung, die geradlinig von A nach B kommt. Doch dieses Epos hat mich komplett überrascht. Die Personen, die Ideen zur Welt von Roen Orm zur Handlung, einfach alles an dieser Geschichte hat mich gefesselt und komplett vergessen lassen dass ich ein Werk mit 1.400 Seiten lese!
Alexandra Balzer schafft es immer wieder, mich für die Welt der High Fantasy zu gewinnen und das will bei einer Leserin von Popcornkino in Buchform eine Menge heißen!
Alexandra Balzer
Alle Bücher von Alexandra Balzer
Roen Orm - Töchter der Dunkelheit
Arunis
Die sieben Zeichen des Zorns: Todfeinde
Die sieben Zeichen des Zorns: Die versunkene Stadt
Die sieben Zeichen des Zorns: Magiesuche
Die sieben Zeichen des Zorns: Wächter des Reiches
Die sieben Zeichen des Zorns: Zepter und Schwert
Roen Orm - Herrscher der Elemente
Neue Rezensionen zu Alexandra Balzer
Rezension zu "Die sieben Zeichen des Zorns: Kraftlinien" von Alexandra Balzer
Ein letztes Mal müssen die Krieger Maondnys aufbrechen, um das siebte Zeichen des Zoi’ron zu beschwören. Sie müssen die magischen Kraftlinien verbinden, die das Land durchziehen. Doch die Helden werden von Zweifeln geplagt, der Kampf hat sie zermürbt. Was wird wirklich geschehen, wenn der Gott erwacht?
Der letzte Teil der siebenbändigen Saga ist von Anfang an geprägt von Endzeitstimmung und Trauer. Die Helden – und mit ihnen die Leser - haben ihr Ziel beinahe erreicht, doch sie fragen sich, was danach sein wird. Warten Tod oder Leben auf die einzelnen Wesen, wer hält dem Gericht des Gottes stand, wer wird vernichtet?Die Grundstimmung des Abschlussbandes ist daher eher besinnlich, auch wenn noch gegen eine Armee von Untoten gekämpft werden muss.Maondny hat natürlich wie immer die Fäden in der Hand und lenkt ihre Auserwählten. Die vielschichtigen Charaktere sind mir ans Herz gewachsen und mir tut es leid, dass ich von ihnen Abschied nehmen muss. Ein würdiges und stimmiges Finale!
Rezension zu "Die sieben Zeichen des Zorns: Die versunkene Stadt" von Alexandra Balzer
Um das fünfte Zeichen des Zoi’ron zu initiieren, müssen die Gefährten zuerst die versunkene Stadt wiedererwecken. Inzwischen muss der gefallene Gott Nakoio das Vertrauen Kiomys erlangen, damit auch dieser seine ihm vom Schicksal zugedachte Aufgabe erfüllen kann. Ein beinahe unmögliches Unterfangen, denn der Junge ist zutiefst verstört. Gleichzeitig wird Yllanya vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt.
Der fünfte Teil um die Erweckung des Gottes Zoi’ron durch die Auserwählten widmet sich hauptsächlich der Frage, ob und wie ein Wesen, dessen Vertrauen tief erschüttert ist, seine Fähigkeiten entdecken und nützen kann. Wie immer gelingt es der Autorin, die Charaktere glaubwürdig und mit viel Gespür anzulegen. Das Erzähltempo dieses Bandes ist um einiges ruhiger, da es weniger um Kämpfe als um innere Wandlung und Erlangen von Stärke geht.Die Traumseherin Maondny bleibt geheimnisvoll und hat sicher noch einige Überraschungen zu bieten.Faszinierend auch immer wieder die bis ins Detail ausgearbeiteten Welten und ihre Geschichte, wie die der Rataumi. Der philosophische Ansatz ist hier besonders interessant. Zwei Zeichen sind nun noch zu erwecken und man darf gespannt sein, welche Überraschungen und Wendungen sich bis zum großen Finale noch ergeben!
Gespräche aus der Community
ich möchte euch Arunis näherbringen, eine romantische Fantasygeschichte, die ich zusammen mit der Autorin Karin Kehrer ans Licht der Welt gebracht habe. Zu diesem Zweck stellen wir euch 10 eBooks im beliebigen Format zur Verfügung.
Inhaltsangabe:
Einst hatte Arunis sich gegen seinen Vater, dem Schöpfergott aufgelehnt und wurde zur Strafe in eine Flasche verbannt. Er muss nun jedem, der ihn findet und das Zauberwort ausspricht, einen Wunsch erfüllen. Verbittert über sein Schicksal und voller Verachtung für die Menschheit fristet er ein jämmerliches Dasein.
Dann wird Arunis allerdings von der Magierin Robina gefunden, die weder das Zauberwort kennt noch einen Wunsch aussprechen will. Als Robina spürt, dass jemand mit aller Gewalt nach Arunis sucht, vertraut sie die kostbare Flasche ihrer Ziehtochter Ambra an. Die besitzt keine magischen Fähigkeiten und ist dem Sucher damit schutzlos ausgeliefert – und wurde ohne Stimme geboren, mit der sie andere um Hilfe bitten könnte …
Hier eine kleine Leseprobe:
Ambra wischte mit dem Ärmel über ihre schweißbedeckte Stirn und stützte sich auf den Stiel der Schneeschaufel, die sie selbst aus einem dünnen Brett gefertigt hatte. Sie verbrachte schon den ganzen Nachmittag damit, die Schneemassen zu beseitigen, die der Sturm gebracht hatte. Erst vom Dach der Hütte, dann rund um das kleine Gebäude, an dessen Rückseite das Holz gelagert war und wo sich auch der Stall für die Ziege befand. Die Bewegung im Freien bereitete ihr Spaß, sie hasste nichts mehr, als untätig herumzusitzen. Was eigentlich nicht oft geschah, denn es gab immer etwas zu tun.
Sie streckte ihren schmerzenden Rücken und betrachtete die stille Winterlandschaft. Sanfte Erhebungen in einheitlichem Weiß, nur unterbrochen durch die dunkle Ader des Baches, der sich am Fuß des Hügels entlang schlängelte. Zu ihrer linken Seite der Buchenwald, die Äste der mächtigen Bäume ächzten unter der Schneelast. Ihr Blick schweifte zum Himmel, der sich in einem einheitlichen Hellgrau über ihr wölbte. Sie hob schnuppernd die Nase. Der frische, kalte Geruch sagte ihr, dass es bald noch mehr Schnee geben würde.
Eine leichte Bewegung lenkte ihre Aufmerksamkeit in Richtung des Horizonts. Sie kniff die Augen zusammen. Ein mächtiger Hirsch führte drei Weibchen über den Hügel auf den Fichtenwald zu. Die Tiere wurden vom Dunkel verschluckt. Ihre Ziehmutter hatte ihr erklärt, dass dieser Wald die Grenze des Reiches Sumar bildete.
Sumar.
Ambra stellte sich den Klang des Namens vor, wie Robina ihn aussprach. Sie öffnete den Mund, wusste aber im gleichen Moment nicht, wie sie es anstellen konnte, den Namen, den sie im Kopf hörte, laut zu sagen. Nur ein leises Keuchen entwich ihren Lippen. Es war, als hätte der Schöpfergott Mokil, der auch Arunis in seine Flasche gebannt hatte, vergessen, ihr eine Stimme zu geben. Wie grausam dieser Gott doch war!
Ein Frösteln überlief sie und mit einem Mal hielt sie die Stille nicht mehr aus. Sie nahm die Schaufel auf und lief über den schmalen Pfad, den sie von der Hütte weg geschaufelt hatte, zurück. Robina wartete gewiss schon mit einer heißen Tasse Lindenblütentee.
Ambra stampfte mit den Füßen, um den Schnee von den Stiefeln zu schütteln und öffnete mit einem Ruck die Tür. Der würzige Geruch von Baumpech empfing sie. Am Vormittag hatte sie zusammen mit Robina eine Salbe gegen Gliederreißen gekocht. Einen Teil davon konnten sie im Dorf verkaufen, sobald das Wetter eine Wanderung dorthin zuließ.
Sie brauchte einen Moment, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Warum hatte Robina die Kerzen noch nicht entzündet?
Mit steifen Fingern nestelte sie an den Bändern ihres Umhangs und streifte ihn ab. Wieder fröstelte sie. Das Feuer war ausgegangen.
Robina?
Suchend sah sich Ambra um. Erst jetzt entdeckte sie ihre Ziehmutter, die zusammengekauert im Lehnstuhl saß. Heißer Schreck fuhr durch ihr Herz. Sofort war sie an ihrer Seite, rüttelte sachte an ihrer Schulter.
Robina fuhr hoch, blinzelte benommen. „Ambra? Ach … was …? Ich muss eingeschlafen sein“, murmelte sie.
Ambra zog fragend die Augenbrauen hoch, streichelte sanft ihre Schulter. Wie zerbrechlich sich ihre Knochen anfühlten! Noch nie war ihr das so bewusst gewesen. Robina wurde alt.
Der Gedanke machte ihr Angst.
Robina schüttelte den Kopf und schob ihre Hand weg. „Ich habe nicht besonders gut geschlafen“, meinte sie abwesend.
Ambra nickte. Ja, sie hatte schon bemerkt, dass Robina manchmal Albträume hatte und in letzter Zeit schienen sie sie immer öfter und intensiver zu quälen.
„Es geht so nicht weiter.“ Robina stemmte sich hoch und bemühte sich, ein Ächzen zu unterdrücken. „Ich war zu lange sorglos. Ich muss Vorkehrungen treffen.“
Ambra schüttelte den Kopf und hob die Hände.
„Doch, Liebes. Es wird eine Zeit kommen, wo ich nicht mehr für dich da sein kann. Ich hätte schon viel früher …“ Sie wandte sich ab. „Aber was rede ich da. Du wirst hungrig und müde sein nach der vielen Arbeit. Außerdem brauchst du etwas Warmes zum Trinken. Du bist ja völlig durchgeschwitzt. Zieh nur schnell die nassen Kleider aus und hänge sie auf die Trockenstange. Ich werde das Feuer wieder anfachen, es ist zum Glück noch nicht völlig ausgegangen. Wie nachlässig von mir …“
Ambra lauschte auf das Murmeln Robinas. Etwas bedrückte sie, ganz gewiss. Ambra kannte die Angewohnheit ihrer Ziehmutter, sorgenvolle Gedanken unter einem Wortschwall zu begraben.
Während sie sich aus den Kleidern schälte, fiel ihr Blick auf die kleine blaue Flasche auf dem Kaminsims. Täuschte sie sich oder flackerte Arunis’ Licht in ihrem Inneren lebhafter als sonst?
Obwohl Arunis immer da gewesen und ihre Kindheit begleitet hatte, war ihr der Geist ein wenig unheimlich. Im Gegensatz zu Robina konnte sie sich nicht mit ihm unterhalten und oft fühlte sie sich ausgeschlossen, wenn ihre Ziehmutter Zwiesprache mit dem unsichtbaren Wesen hielt. Es sah sonderbar aus, wenn Robina lautlos die Lippen bewegte oder einer für Ambra unhörbaren Stimme lauschte.
Einmal, nur ein einziges Mal, war ihre Neugier groß genug gewesen und sie hatte die Flasche in die Hand genommen. Das Flackern des Lichtes hatte sie fasziniert. Wie sehr erschrak sie, als sie merkte, dass das Glas ganz warm war und vibrierte! Beinahe hätte sie die Flasche fallen lassen und schnell hatte sie sie wieder auf ihren Platz gestellt.
Manchmal fragte sie sich, warum Robina Arunis eigentlich behielt, wo er ihr doch nichts nützte. Robina hatte ihr zwar erklärt, dass es fatale Folgen haben konnte, wenn Arunis in die falschen Hände gelangte und dass es besser war, wenn er hier in ihrer Hütte blieb, wo ihn niemand vermutete, auch wenn niemand das Zauberwort wusste, um die Dienste des Geistes beanspruchen zu können. Ambra lauschte auch den Geschichten, die Robina von Arunis hörte. Die meisten handelten von blutigen Schlachten und verzwickten Intrigen und das alles interessierte sie nicht besonders.
Manchmal gab es aber auch nette darunter. Sie mochte besonders die eine von der hässlichen Hexe Mehrab, die von Arunis in ein wunderschönes Mädchen verwandelt wurde und einen tapferen Prinzen zum Gemahl bekam.
Ambra schlüpfte in ihr langes Nachthemd und setzte sich ans Feuer, das wieder lustig prasselte. Der süße Duft der Lindenblüten kroch in ihre Nase, als Robina eine Handvoll davon in einen Becher gab und mit heißem Wasser auffüllte.
Gemeinsam verzehrten sie ein bescheidenes Abendmahl, das aus kaltem Haferbrei und getrockneten Früchten bestand. Wie immer schwieg Robina während des Essens, doch als Ambra aufstehen wollte, um das Geschirr wegzuräumen, hielt sie sie mit einer Handbewegung zurück.
„Setz dich zu mir, mein Kind. Ich muss dir etwas sagen.“
Ambras Herzschlag stockte für einen Moment, aber dann kuschelte sie sich in die Arme Robinas, die es sich auf ihrem Lager bequem gemacht hatte.
Robina streichelte über Ambras Haar, ihre Finger versuchten allerdings vergeblich die schwarzblau glänzende Lockenpracht zu entwirren, die ihrer Ziehtochter bis auf die Hüften fiel. „Ich habe mich vergeblich bemüht, das Geheimnis deiner Herkunft zu lösen, also habe ich alles getan, um dir eine gute Mutter zu sein“, flüsterte Robina. Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer. „Ich war vielleicht sogar zu gut zu dir, habe dich von allem Bösen abgeschirmt, auch weil du diesen besonderen Makel hast.“ Ein trauriges Lächeln huschte über Robinas Gesicht. „Natürlich habe ich das nie so gesehen. Doch andere tun es. Andere Menschen.“
Ambra nickte. Es gab kaum Gelegenheiten, wo sie andere Menschen traf. Sie lebten so abgeschieden, dass nur wenige Bittsteller den weiten Weg zu ihnen wagten. Manchmal besuchte sie mit Robina das nächstgelegene Dorf, das etwa einen halben Tagesmarsch entfernt war, um ihre selbst gefertigten Arzneien gegen Getreide und etwas Fleisch zu tauschen. Bei diesen seltenen Begegnungen wurde Ambra immer mit Misstrauen gemustert.
Sie glauben, die Götter haben mich verflucht und jeder, der mit mir in Berührung kommt, zieht Unglück auf sich.
Die alte Frau holte tief Luft. „Ich glaube, andere Menschen bedeuten keine so große Gefahr. Es ist die Lichtmagie.“
Was meinst du damit?, bedeutete ihr Ambra in der Zeichensprache, in der sie sich mit Robina verständigte. Die beiden hatten sie gemeinsam entwickelt.
„Ich habe dir erklärt, wie du meine Magie und die der meisten Heiler verstehen kannst. Das ist so, als ob ich die Lebenskraft der Lebewesen sehen könnte, die durch sie fließt. Ich merke auch, wenn sie unterbrochen ist und kann sie in den meisten Fällen so lenken, dass sie sich wieder zusammenfügt. Lichtmagier dagegen sind zu viel mehr imstande. Sie können diese Lebenskraft an sich ziehen, anderen Wesen ihren Willen aufzwingen und sie können sogar Kraft aus der Luft und dem Licht holen und sie nach ihrem Gutdünken gebrauchen. Es gibt nicht mehr viele, die das zuwege bringen und das ist gut so. Denn die meisten von ihnen nutzten diese Gabe zum Verderben der Menschen.“
Ambra musste den Blick abwenden. Der sorgenvolle Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Ziehmutter machte ihr Angst.
„Es ist Lichtmagie, die mich immer öfter heimsucht“, wisperte Robina. „Starke Lichtmagie. Ich vermag ihr kaum mehr zu widerstehen. Jemand sucht etwas. Ich ahne, was es ist.“
Ambra zuckte fragend mit den Schultern. Wovon sprichst du?
„Es gibt nur eine einzige Kostbarkeit in meinem Besitz, die solcher Mühe wert ist.“ Robinas Blick glitt zu der kleinen Flasche auf dem Kamin.
Arunis? Aber ...
Robina fasste nach Ambras Hand. „Sieh mich an, mein Kind. Es ist wichtig. Du wirst auf Arunis achten, nicht wahr? Ich befürchte, du musst mich verlassen, wenn mein Schutzbann bricht. Nicht sofort, denn solange die Wege unpassierbar sind, kann niemand zu uns gelangen, selbst ein Lichtmagier nicht. Doch sobald Tiasnas Atem den Schnee schmelzen lässt, wirst du gehen müssen.“
Was? Gehen? Wie …
Ambra saß wie erstarrt.
„Hast du verstanden? Du musst es tun, denn hier bist du nicht mehr lange in Sicherheit. Derjenige, der Arunis haben will, kennt keine Barmherzigkeit, das spüre ich nur zu deutlich.“
Robina schüttelte sie sanft. Tränen standen in ihren Augen.
Ambra schluckte. Ein heißes Brennen stieg in ihr auf, sie öffnete den Mund, brachte nur ein heiseres Krächzen heraus. Sie presste die Hand auf ihr Herz. Es klopfte so wild, dass sie glaubte, es müsste ihr aus der Brust springen.
Ich will dich nicht verlassen. Das kann ich nicht. Nein! Nein! Nein! Niemals!
Wer Lust hat, mitzumachen, kann sich bis zum 31. 10. bewerben. Karin wird auch hier mitmischen, wir freuen uns auf euch!
auf vielfachen Wunsch einiger liebenswerter Leser, die Teil 1 von Roen Orm, "Töchter der Dunkelheit", mochten, lade ich nun zur Leserunde für Teil 2 ein. Es wird eine offene Runde, teilnehmen kann jeder der möchte und das Buch besitzt - leider kann ich diesmal aus finanziellen Gründen keine Verlosung anbieten.
Hier nun erst einmal der Klappentext:
Mit dem Tod des Königs und des alten Erzpriesters droht Inanis Leben zu zerbrechen, denn ihr werden Entscheidungen aufgezwungen, die ihre Kräfte übersteigen. Ilat übernimmt nun den Thron und verlangt nach Krieg. Thamar hingegen verlässt sein Exil und zieht für Maondny ins Ungewisse. Auch der junge Sonnenpriester Janiel muss schicksalshafte Entscheidungen treffen, denn er entwickelt Fähigkeiten, für die ein wahrer Sohn des Lichts mit dem Tode bestraft wird ... Zweiter Band der vierteiligen Fantasy-Saga über Magie, Macht, Schicksal und Liebe.
Leseprobe:
1.
„Feuersbrünste, Sturmfluten, Erdbeben, Wirbelstürme – ich habe den Zorn der entfesselten Elemente gesehen und fürchte sie. Doch mehr als dies fürchte ich den Zorn einer Frau.“
Zitat aus „Jianmaco“, Theaterstück, uraufgeführt in Roen Orm,
2034 n. Gründung
Schlecht gelaunt trieb Inani die Gruppe durch den Nebel vor sich her. Sie mochte diese Männer nicht – Söldner aus Akanor am Südmeer. Die Kämpfer hatten Thamar zwar schon vor Jahren die Treue geschworen, doch sie galten als wenig zuverlässig. Man musste sich ständig Aufgaben für sie ausdenken, damit sie sich nicht langweilten und unruhig wurden, oder sogar einen anderen Herrn suchten. Akanor war eine zu wichtige Macht, als dass man sie außen vorlassen durfte.
Thamar hatte sie nach Briol geschickt, um Vieh zu stehlen. Briol war eine reiche, stark befestigte Stadt, deren Bewohner an Wegelagerer gewöhnt waren und ihr Hab und Gut zu verteidigen gewusst hatten. Die erbeuteten Rinder und Schafe waren die Mühe durchaus wert gewesen. Einige Männer des kleinen Söldnertrupps waren verletzt worden, sie fühlten sich jetzt als Helden – und damit war der Hauptzweck der Unternehmung erfüllt.
Inani hasste es trotzdem, diese grölende Bande führen zu müssen. Sie war mittlerweile einundzwanzig Jahre alt und Mittelpunkt der männlichen Aufmerksamkeit, wohin auch immer sie ging. Ihre flammendroten Haare zogen alle Blicke auf sich – bewundernde wie verängstigte. Der Aberglaube, dass rothaarige Frauen Anhänger des Finsterlings waren, hatte sich in den letzten Jahren eher noch verstärkt. Am Königshof war Inanis Stellung davon allerdings nicht beeinträchtigt, im Gegenteil: Viele adlige Männer versuchten ihr nahe zu kommen.
Als sie endlich die Holzhütten von Thamars Siedlung erreicht hatten, atmete sie erleichtert auf.
Die Söldner waren schwieriger zusammenzuhalten gewesen als die Tiere, mehr als einmal wäre ihr beinahe einer der Männer im Nebel verloren gegangen. Wie sehr sie ihre Vertraute vermisste! Aber die Leopardin hatte im Frühjahr Junge geworfen und konnte Inanis Ruf nicht folgen, ohne die Kleinen zu gefährden. In höchster Not würde die Raubkatze ihre eigenen Jungen im Stich lassen, um Inani beizustehen. Doch das war ein Opfer, das sie nicht annehmen wollte, sollte es irgendwie zu vermeiden sein. Wenn sie durch den Nebel wanderte, besuchte sie die Leopardin dafür bei jeder Gelegenheit. Die zwei Kätzchen akzeptierten Inani wie eine zu groß geratene Schwester, versuchten mit ihr zu balgen und attackierten mit ihren nadelspitzen Zähnchen ihre Stiefel. Es waren wundervolle Momente des Friedens, die Inani sich erschlich. Im Augenblick hätte sie ihren rechten Arm dafür gegeben, bei ihrer Seelenschwester sein zu dürfen.
„Du siehst etwas unfröhlich aus.“ Corin empfing sie mit sanftem Lächeln und tatkräftigen Händen. Innerhalb weniger Minuten hatte die blonde junge Frau das Vieh auf eine Weide geführt, Platz in den Ställen für eine Kuh gefunden, die bald kalben würde, und die Söldner fortgescheucht.
„Die Kerle sollen selbst für sich sorgen, die wissen ja, wo alles zu finden ist.“ Corin lachte und umarmte Inani herzlich. Es war einige Wochen her, seit sie sich zuletzt getroffen hatten.
„Pya weiß, du hast mir gefehlt“, erwiderte Inani seufzend und lächelte endlich. „Es ist unruhig in Roen Orm. Maondny hat sich noch nicht geäußert, trotzdem bin ich sicher, der König wird bald sterben. Die Priester schwärmen wie die Motten durch den Palast, es sind mehr Adlige versammelt, als ich es jemals erlebt habe. Ich schaffe es kaum, mich für eine halbe Stunde zu Niyam zu schleichen, alle paar Sekunden klopft jemand an meine Tür.“
Corin nickte nachdenklich. „Ja, man spürt selbst hier, dass irgendetwas anders ist. In Bewegung, könnte man sagen. Thamar wird Tag und Nacht belagert, Kythara schleppt Männer heran, die ich vorher nie gesehen habe. Viele bleiben nur ein paar Minuten und werden sofort wieder fortgebracht. Ich wage kaum, Kythara anzusprechen, sie ist schrecklich gereizt. Und Thamar will ich auch nicht belästigen, er ist sehr angespannt.“
„Es wird höchste Zeit, dass die Sache sich entwickelt, wir warten bereits lange genug.“ Inani umarmte sie und wollte dann gehen, doch Corin hielt sie fest.
„Bitte, bleib wenigstens heute Nacht. Du bist das erste freundliche Gesicht seit Wochen. Niemand hat Zeit, mit mir zu reden, es sei denn, um mir einen Auftrag zu geben. Thamar und seine engsten Vertrauten essen gerade zu Abend. Er würde sich bestimmt freuen, wenn du dich dazu gesellst.“
Inani zögerte kurz. Sie hatte ihre eigenen Gründe, warum sie es vermied, mit Thamar zusammenzutreffen. Aber so inständig, wie Corins Augen flehten, konnte sie nicht anders als schließlich zu nicken.
„Danke!“ Corin strahlte so glücklich, dass es Inani einen Stich gab – sie hatte ihre Freundin wirklich vernachlässigt. Die Ärmste lebte seit Jahren mehr oder weniger abgeschoben zwischen Scharen von raubeinigen Kriegern.
Thamar lächelte ihr zu, als sie Arm in Arm mit Corin eintrat. Etwa dreißig Männer waren mit ihm in der Hütte versammelt, sie saßen um einen riesigen Holztisch und aßen gemeinsam. Inani erkannte Freunde, die den Prinzen von Anfang an begleitet hatten, genauso wie ihr fremde Gesichter auffielen.
„Inani! Es ist schön, dich zu sehen“, begrüßte Thamar sie freundlich. Den unsicheren, tief verletzten Jungen von einst gab es nicht mehr. Aus ihm war ein Mann geworden, mit breiten Schultern und dem kräftigen durchtrainierten Körper eines Kriegers. In seiner ruhigen Art strahlte er eine natürliche Autorität aus, die ihm sofort Respekt verschaffte. Inani gelang es, das Lächeln und den Gruß unverfänglich zu erwidern. Sie wusste, man sah ihr an, wie sehr sie diesen Mann mochte, aber bislang hatte sie es geschafft, das wahre Ausmaß ihrer Zuneigung zu verbergen. Wenn sie von schwesterlicher Liebe sprach und sich bei jeder Gelegenheit mit Thamar neckte, täuschte sie damit sogar Corin, die ihr doch so nahe stand – und am wichtigsten war, sie täuschte Thamar selbst. Seine Liebe gehörte ausschließlich P’Maondny, gleichgültig, wie unerreichbar sie war. Inanis Kopf wusste es. Ihr Herz war leider anderer Meinung.
„Erzähl, was gibt es Neues aus dem Palast?“, fragte er und gab dem Mann rechts neben sich einen Schubs. Kýl, einer seiner ältesten Freunde und Vertrauten, grinste nur, machte allerdings bereitwillig Platz für die Frauen, die sich mühelos beide auf dem breit gezimmerten Stuhl niederlassen konnten. Während Corin mit der Lehne zu verschmelzen schien und von niemandem weiter wahrgenommen wurde, hingen die Blicke aller Männer an Inani. Sie war daran gewöhnt, es störte sie längst nicht mehr so wie früher. Genießen würde sie diese Art von Aufmerksamkeit wohl nie.
Eine Weile tauschten sie sich über Klatsch und Tratsch, Gerüchte und Intrigen des Königshofs aus. Sie vermieden dabei sensible Themen wie die schwindende Gesundheit des Königs.
„Du Schöne, wann erhörst du mich endlich?“ Einer der Krieger jammerte plötzlich mit dramatischem Unterton und übertriebener Gestik von seiner Liebe zu ihr. Er war ein wenig betrunken, sichtlich auf Spaß aus und glücklicherweise Herr seiner Sinne.
„Falls du meinst, wann ich zu dir ins Bett komme – nun, wenn du stirbst, dann setze ich mich freudig neben dich und flüstere dir ein paar tröstliche Worte ins Ohr, bis Geshar deine Seele holt“, erwiderte Inani geziert. Sie war eine Meisterin in dem Spiel mit doppeldeutigen Worten und belanglosem Plänkeln. Am Königshof half es, um Intrigen zu überleben. Hier, inmitten von raubeinigen Kerlen, konnte sie es entspannt genießen. „Falls du Hilfe brauchst, um Geshar zu locken, bin ich jederzeit die deine.“
Der Krieger lachte und wollte etwas erwidern, als sich einer der fremden Söldner vorbeugte: „Warum packste dir das Weib nich‘, Harko?“
„Weil sie, werter Arlan, eine Hexe ist, und ich gerne noch ein wenig leben möchte!“
„Das’n Weib, ist alles dran, was dazu gehört. Hexen, ist doch alles gelogen, die Priester sagen’s!“ Der Söldner lallte, er hatte bereits mehr getrunken als ihm gut tat. Inani spürte, wie die Männer interessiert auf ihre Reaktion warteten – sie war berüchtigt für nahezu unkontrollierbare Wutausbrüche. Bei solch einem Schwachkopf gab es dazu keinen Grund, sie wollte ihn verspotten und danach die Runde verlassen. Bevor sie allerdings antworten konnte, ergriff Thamar das Wort:
„Arlan, ich für meinen Teil glaube gerne an das, was ich sehe. Eine Frau, die im heiteren Sonnenschein Nebel rufen kann, welcher eine ganze Armee innerhalb weniger Herzschläge von einer Ecke des Kontinents an die andere bringt, das ist wohl keine Lüge. Und ich habe noch keinen Priester erlebt, der etwas Ähnliches geschafft hat.“
„Sind die zu was mehr fähig, außer schmierigen Nebel zu rufen?“ Der Betrunkene grölte vor Lachen. „Nebel is’ nich’ gefährlich, oder? Warum nimmst dir das Hexenweib nich’, du willst’se, oder?“
Kýl gab dem schwankenden Mann einen Schubs, sodass der beinahe vom Stuhl gefallen wäre. „Die haben noch mehr Tricks drauf, Arlan, glaub’s mir. Es sind die Augen, verstehst du? Alles ist gut, solange du einer Hexe in die Augen siehst und ein Mensch schaut zurück. Selbst, wenn die wütend sein sollte, alles ist gut. Falls sie dich aber anstarrt und die Pupillen sind geschlitzt, oder gelb wie bei einer Katze, dann solltest du rennen! Ich bin schon ein paar Jahre länger hier als du, ich weiß, was Hexen können.“ Er erschauderte unwillkürlich und warf Inani einen leicht nervösen Blick zu.
„Die Blonde da nich’, oder?“ Der Söldner wies unsicher auf Corin, die er wahrscheinlich mindestens zwei Mal vor sich sah. „Die ist weich.“
Inani ballte gereizt die Fäuste, bereit, ihre Freundin zu verteidigen, doch wieder erhob Thamar die Stimme: „Corin gehört zu der seltenen Sorte Hexe, die immer gefährlich ist, egal, wie ihre Pupillen geformt sind. Je sanfter sie lächelt und je unscheinbarer sie aussieht, desto gefährlicher ist sie. Sie findet jede Schwäche und weiß von all deinen Ängsten, Arlan. Sie ist allerdings klug genug, dir das erst zu verraten, wenn sie dich vernichten will.“ Er nickte Corin respektvoll zu, und sie lächelte mysteriös. Vor sich hinmurmelnd wandte sich Arlan seinem Trinkbecher zu, die anderen lachten – einige von ihnen übertrieben heiter. Hexen waren nun mal anders.
Plötzlich spürte Inani, wie sich Corin versteifte. Sofort waren ihre Sinne hellwach, sie wusste, dass ihre Freundin den Raum und sämtliche Anwesenden aufmerksam beobachtet hatte.
„Was ist los?“, fragte sie geistig.
„Ich weiß es nicht. Irgendetwas … einer der Söldner, die du mitgebracht hast. Ich sehe einen Schatten, Hass, ich weiß es nicht!“
„Konzentrier dich. Löse dich von mir und sage mir, welcher der Männer eine Gefahr ist. Du kannst ihn finden!“
Thamar griff nach ihrem Arm, beunruhigt von der Geistesabwesenheit der beiden Hexen, doch Inani schüttelte nur leicht den Kopf. Aufmerksam beobachtete sie Corin, die mit geschlossenen Augen dasaß, tief in sich selbst versunken. Dann wies sie mit ausgestrecktem Finger auf einen Mann mit grauen Haaren und Vollbart, der am unteren Ende des Tisches saß und scheinbar angeregt in ein Gespräch mit seinem Sitznachbarn vertieft war.
Schlagartig wurde es still im Raum. Der stämmige Bärtige sah auf, starrte verwundert um sich, als er sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit fand.
„Wo ist die Gefahr, Corin?“, flüsterte Inani hastig. Der Blick des Mannes flackerte zu Thamars Kelch, den dieser seit Minuten hielt, ohne daraus zu trinken, und sie reagierte sofort: Mit einer fließenden Bewegung riss sie den Weinkelch an sich, drückte ihn Corin in die Hände, sprang auf den Tisch und kniete vor dem Mann nieder. Mit einem Dolch an seiner Kehle verhinderte sie Fluchtgedanken. Sofort hielt sie einen zweiten Dolch bereit und zielte damit auf das Herz eines Mannes zu ihrer Linken, dessen Hand zum Griff seines Schwertes geirrt war. Die Waffe des Bärtigen riss Kýl an sich und warf es in die hintere Ecke des Raumes, bevor er mit erhobenen Händen vom Tisch zurückwich.
„Ich habe nichts damit zu tun“, stammelte er. Inani fixierte die beiden verdächtigen Männer und sicherte den Raum mit ihrem unmenschlich geschärften Gehör.
„Gebt mir einen Grund, wagt es falsch zu atmen, und ihr seid sofort tot!“, zischte sie drohend. Sie hörte, wie ihre Stimme eine ganze Oktave tiefer sackte und wusste, die Raubkatze in ihr war vollends erwacht. Das Blut rauschte in ihren Ohren, vertrauter Zorn kämpfte gegen ihre Barrieren.
Es wäre so leicht, sich überwältigen zu lassen und zu einem gierig tötenden Monster zu werden, einer Bestie, die weder mit einem Panther noch einem Menschen etwas gemeinsam hatte. Zu oft hatte sie bereits an dieser Grenze gestanden und jedes Mal nur knapp den Sieg gegen sich selbst davongetragen.
„Inani, beruhig dich.“ Sie hörte, Thamar war im Begriff, sich zu erheben.
„Bleib wo du bist. Das gilt für jeden hier“, knurrte sie. „Corin, teste den Wein, ob Gift darin ist.“
„Nicht nötig. Es ist Wilder Blauhut, ich erkenne den Geruch“, erwiderte Corin leise. Einige Männer schnappten nach Luft, es war ein weithin bekanntes, starkes Pflanzengift. Einen langsamen und qualvollen Tod brachte es mit sich.
„Du Hund, das wirst du büßen!“ Kýl zog seine Waffe und wollte auf den Söldner losgehen, den Inani vor sich in Schach hielt; doch sie fauchte so drohend, dass alle erstarrten.
„Du bleibst, wo du bist!“
Als Kýl gehorchte, richtete sie ihre Raubtieraugen auf den zweiten Mann, ohne dabei den Druck ihrer Klinge auf die Kehle des Bärtigen zu lösen.
Für einen langen Moment suchte sie in der angstvollen Miene des Söldners nach Zeichen, ob er eine Gefahr darstellte. Dann zog sie die Waffe von seiner Brust zurück.
„Ist das ein Freund von dir?“, fragte sie mühsam beherrscht. Töte ihn!, schrie ihr Instinkt, töte ihn sofort! Es war ihr Raubtierinstinkt, nicht das, was ihr menschlicher Verstand ihr sagte. Ihr Instinkt, der ihr befahl, einen unbewaffneten Mann in Stücke zu reißen dafür, dass er Thamar hatte töten wollen. Thamar ...
„Mein Vetter. Bitte, ich verstehe nicht! Nios würde niemals einen Giftanschlag ...“
„Das reicht. Lass deine Hände da, wo ich sie sehen kann, verstanden? Corin, achte auf ihn.“
Inanis ganze Aufmerksamkeit gehörte nun Nios.
„Sprich, und wage nicht, mich anzulügen. Warum? Wer hat dich geschickt?“
Einige Augenblicke lang schwieg der bärtige Mann. Ein höhnisches Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus.
„Niemand hat mich geschickt! Ich bin es einfach nur leid gewesen, einem Jungen zu dienen, der sich im Nirgendwo versteckt und von Weibern den Arsch abwischen lässt! Lieber einem Herrn dienen, der wahnsinnig ist, als so einem Feigling, der sich jahrelang verkriecht! Ich werde mich Ilat anschließen. Ich will nicht mehr durch Nebelschwaden waten und mir von kleinen Mädchen sagen lassen, wie man kämpft! Hexe oder nicht, du bist ein Weib, und Weiber gehören gefickt. Stoß mir ruhig deinen Zahnstocher in den Hals, es ändert nichts an der Wahrheit!“ Er spuckte Inani ins Gesicht, und es kostete sie jeden Funken Selbstbeherrschung, ihm dafür nicht die Kehle zu zerfetzen. Etwas von ihrer Mordlust musste sich in ihrem Gesicht spiegeln, sodass er unwillkürlich vor ihr zurückzuckte. Langsam, sehr langsam hob sie die freie Hand und wischte den Speichel fort. Es war totenstill im Raum, alle hielten den Atem an.
Zerfetz ihn! Reiß ihm die Eingeweide raus! Trink sein Blut und friss sein Herz, während es noch schlägt!
Bilder von grausiger Gewalt flackerten durch Inanis Raubtierbewusstsein, der Blutdurst ertränkte langsam ihre menschlichen Sinne. Zwei Menschen näherten sich ihr. Langsam, wohl um sie nicht zu reizen, laut genug, um ihr zu zeigen, dass keine Gefahr drohte. Ihr gesamter Körper zitterte leicht vor Anspannung, um diesem Mann vor ihr nicht den Kopf abzubeißen. Nios war bleich geworden. Sie roch seine Angst, es peitschte ihre Instinkte noch weiter auf. Nadelspitze lange Krallen formten sich dort, wo Fingernägel sein sollten. Schweiß stand auf der Stirn des anvisierten Opfers, sein Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, so laut ... Du wirst sterben!
Da spürte sie eine federleichte Berührung am Rücken, zugleich ein vertrautes Bewusstsein, das nach dem ihren suchte.
Ihr Blick irrte zur Seite, nur einen Moment lang. Taube. Zart. So süß …
Inani schloss die Augen, sie spürte, wie sie kurz in sich zusammensackte. Als sie langsam den Dolch sinken ließ, hatte sie sich wieder in der Gewalt. Die Gefahr, wie eine tollwütige Bestie über alles und jeden, sogar über ihre beste Freundin herzufallen, war gebannt. Sie bewunderte Corins Mut, sich ihr zu nähern. Corin hatte genau gewusst, wie gefährlich es war, Inani in diesem Zustand anzufassen. Thamar stand rechts neben ihr und umfasste ihre Schulter. Inani nickte ihm zu und setzte sich zurück auf ihre Fersen, die Klinge weiterhin bereit.
„Danke“, wisperte sie in Is’larr, der geheimen Sprache der Hexen. Thamar verstand ein wenig davon, als einziger Mann seit unendlichen Zeiten war ihm dieses Wissen erlaubt worden. Er seufzte und sagte:
„Nios, du glaubst also, ich würde mich verkriechen? Ich würde mich an den Rockzipfel von Weibern klammern? Nun, wie du gerade erlebt hast, tragen Hexen vielleicht Frauenkleider, wenn sie Lust dazu haben, doch man sollte sie nicht für harmlose kleine Mädchen halten. Du hast eine hoch geschätzte Verbündete beleidigt, eine langjährige Freundin. Du hast versucht, mich zu vergiften, eine hinterhältige, feige Tat, für die du den Tod verdient hast. Ich könnte dich Inanis Gnade überlassen und zusehen, wie sie dich mit bloßen Händen zerreißt, aber weißt du was, Nios?“ Thamar packte den Söldner unvermittelt am Kragen und zog ihn dicht zu sich heran. „Das wirklich Gute daran, dass ich noch kein König bin ist, dass ich mir viele Freuden gönnen darf, die mir auf dem Thron verwehrt bleiben werden. Eine davon ist, ich kann mit dir machen, was immer ich will.“ Er ließ diese Drohung wirken, bis Nios schwer atmend versuchte, aus seinem Griff zu entfliehen.
„Sag mir eins: Hast du das Wissen, wo ich mich aufhalte, verkauft, oder irgendetwas anderes von dem, was du geheim zu halten geschworen hast? Ja oder nein?“
Hastig schüttelte Nios den Kopf. Thamar starrte ihn drohend an, bis Inani und Corin gleichzeitig riefen: „Er sagt die Wahrheit.“
„Ich wollte nur dafür sorgen, dass Ihr nicht mehr kommen und Ilat herausfordern könnt. Wer seinen Herrn betrügen will, sollte sicherstellen, dass der sich nicht mehr dafür rächen kann“, murmelte Nios. Es sollte vermutlich provozierend klingen, aber seine Stimme schwankte und er wagte nicht, Thamar anzusehen. Noch einen Moment lang hielt Thamar den Mann fest. Dann stieß er ihn von sich und wandte sich zu Kýl, der unmittelbar hinter ihm stand: „Mein Freund, leih mir dein Schwert. Und du“, er wies auf den unglücklichen Vetter des Attentäters, „du gibst deine Waffe an diese Ratte. Er soll im Duell beweisen, wer von uns beiden das Recht hat zu leben.“
„Hoheit, nein! Wenn er Euch tötet ...“
Mit einer ungeduldigen Geste brachte Thamar die Männer zum Schweigen.
„Falls ein Feigling wie er es schaffen sollte, mich zu töten, habt ihr alle eure Zeit verschwendet, denn wie hätte ich so jemals hoffen können, meinen Bruder zu bezwingen? Sollte Nios mich besiegen, ist er frei. Niemand wird ihn hindern zu gehen, egal wohin er will. Sollte ich ihn töten, zweifelt nie wieder an mir, meinem Mut oder der Wahl meiner Verbündeten!“ Thamar sprach ruhig, ohne Zorn oder Hass. Gerade dadurch wirkten seine Worte umso tiefer.
„Glaubt ihm nichts! Sobald ich einen Kratzer in unseren hochwohledlen Prinzen ritze, wird die Wildkatze da über mich herfallen! Ein gerechter Kampf, daran glaubt ihr doch selbst nicht!“, rief Nios hastig.
Inani stieg mit langsamen Bewegungen vom Tisch, schüttelte kurz den Kopf, und ihre langen Haare färbten sich rot.
„Ich schwöre bei Pyas Tränen, ich werde nicht eingreifen, egal, was geschieht.“
„Geh vor die Tür, Nios, dich erwartet ein ehrlicher Kampf.“ Thamar wog Kýls Schwert in der Hand und schritt voraus zur Tür. Nios wandte sich zu seinem Vetter. Der bewegte sich mit einem Mal schneller, als irgendjemand reagieren konnte. Er gab seine Waffe nicht weiter, sondern stieß sie in Nios’ Brust. Nios brach sofort tot zusammen. Sein Mörder warf sich Thamar zu Füßen.
„Majestät“, stammelte er, „mein Prinz, ich zweifle nicht an Eurem Mut, Eurer Kampfkunst oder an Eurer Ehrlichkeit. Aber ich musste an meinem Vetter zweifeln, ob er Euch einen ehrlichen Kampf geliefert hätte. Lieber wollte ich ihn selbst umbringen als mit anzusehen, wie er Euch vielleicht hinterrücks erschlägt, nachdem Ihr ihm Gnade gezeigt habt ...“ Seine Worte verloren sich. „Macht mit mir, was Ihr wollt. Ich fürchte den Tod nicht.“
Thamar beugte sich zu ihm hinab und zog ihn auf die Füße.
„Du magst den Tod nicht fürchten, doch ich fürchte, einen guten Mann zu verlieren. Es ist Blut geflossen, in meinem eigenen Haus. Du hast die Schande von dem Namen deiner Familie gewaschen, mehr gibt es nicht zu tun in dieser Sache.“ Er drückte ihm die Schulter und wandte sich nun an alle, die im Raum anwesend waren.
„Wenn es jemanden gibt, der an mir, meinen Taten oder meinen Verbündeten zweifelt, dann soll er es jetzt sagen. Er braucht keine Strafe zu fürchten. Die Hexen werden ihm die Erinnerung nehmen, wo wir uns befinden und ihn an jeden Ort in Enra bringen, den er sich wünscht – Roen Orm eingeschlossen. Ein aufrichtiger Rückzug ist besser als das, was gerade geschehen ist.“ Er sah jedem Mann in die Augen. Keiner senkte den Blick, keiner wich vor ihm zurück. Niemand regte sich.
„Wir sind käufliche Krieger, aber wir sind treu, solange unser Herr uns bezahlt und anständig behandelt. Wir folgen Euch, Thamar“, sprach einer von ihnen, ein bulliger Axtkämpfer mit vernarbtem Gesicht. „Und gegen die Hexen haben wir auch nichts, solange sie ihre Krallen bei sich lassen und wir sie wenigstens angaffen dürfen“, fügte er grinsend hinzu, und löste damit ein wenig die Anspannung.
„Gaffen ist erlaubt. Anfassen nur, wenn du deine Fratze weiter verschönern lassen willst.“ Inanis Worte klangen drohend, ihr schmales Lächeln wirkte beruhigend, und alle lachten. Die Gefahr war gebannt. Der Zorn war besiegt.
Doch es war knapp gewesen. Wieder einmal. Zu knapp …
bookmarble
mienebaja74
shunya
stefanie82
franzi293
Herzlichen Glückwunsch!
Und weil es sagenhafte 58 Bewerbinnen gab, gibt es für alle, die sich dafür unten eintragen, einen 2. Lostopf. Springt in den folgenden 3 Tagen hinein, um eines von 3 eBooks zu gewinnen. Ich kann jedes gängige Format liefern, und man kann auch ohne einen Reader via PDF am PC lesen. :)
Liebe LovelyBooks-Gemeinde,
wer liebt Fantasy?
Wer ist fasziniert von Magie?
Wer ist bereit für eine Geschichte, die mehr zu bieten hat als endloses Schlachtengetümmel?
Interessiert?
Nun, dann schaut weiter:

Der höchste Priester der Sonne versucht die Herrschaft über die ewige Stadt zu übernehmen, denn wer Roen Orm hält, beherrscht die Welt. Zu lange schon verbergen sich die Hexen vor der Priesterschaft im Zwielicht, als Inani geboren wird. Sie soll das Machtgefüge zugunsten der Töchter der Dunkelheit wandeln. Doch ist sie stark genug, sich ihrer Bestimmung zu stellen?
Zudem verliebt sich die Traumseherin der Elfen in einen Prinz von Roen Orm und das Schicksal zweier Welten gerät in Gefahr …
Dies ist der erste Teil meiner Fantasy-Saga über Magie, Macht, Schicksal und Liebe und ich möchte ihn euch in einer Leserunde näher bringen.
Leseprobe:
„Ist sie lebensfähig, Shora?“
„Ja, sie ist gesund und stark. Sieh ihre Augen, die Gabe ist stark in ihr.“
„Du hast Recht. Ja, wir werden sie als eine der unseren aufnehmen. Folge der Alten, du kennst das Gesetz!“
Shora nickte stumm. Es gab kein Gesetz, das sie mehr liebte:
Wird ein Kind der Menschen als Hexe in den Bund der Dunklen Schwestern aufgenommen, müssen zwei Menschenleben gerettet werden. Eines, um die Geburt des Kindes zu feiern, eines, um Ti, dem Gott der Sonne zu huldigen, der um ein Leben betrogen wird.
„Ich werde beide Frauen retten. Und, Alanée: Ich will das Mädchen für mich. Es soll meine Tochter sein.“
Eine Weile stand Alanée still. Dann erwiderte sie: „Das ist verboten, Shora. Der Rat muss darüber abstimmen, wem sie zugeteilt wird!“
„Ich will sie für mich, egal, ob der Rat damit einverstanden ist oder nicht.“
Ein Windstoß blies Shora das lange blonde Haar ins Gesicht. Sie strich es ungeduldig über die Schulter und sah zu Alanée auf, die sie forschend musterte.
„Du weißt, was geschehen könnte, wenn dies als Bruch des Gesetzes ausgelegt wird? Du hast zwar viele Freundinnen im Rat, sie müssen dich allerdings nicht schützen.“
„Dies ist meine Tochter“, sagte Shora schlicht und presste das Mädchen an sich. Ihre Freundin senkte seufzend den Blick. Dann streckte sie die Arme aus, um das Kind an sich zu nehmen und sagte: „So soll es sein. Ich werde deine Tochter beschützen, bis du zurückkehrst. Nun eile dich, sonst ist es für Kelina zu spät.“
„Inani. Der Name meiner Tochter ist Inani.“
>>>
Die Bewerbung läuft bis zum 24.3.
Am 25. wird ausgelost, danach versende ich die Bücher, und am Montag, 8.4. soll die Leserunde losgehen.
Community-Statistik
in 61 Bibliotheken
auf 9 Merkzettel
von 10 Leser*innen aktuell gelesen
von 1 Leser*innen gefolgt