John F.Kennedy, 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Immer noch ein Mythos. Sicherlich eine der meist biografierten Persönlichkeiten. Und nun legt der Autor Alan Posener eine nur knapp 175 Seiten (ohne Anhang) lange Biografie vor. Funktioniert das?
Ich würde sagen, ja, wenn man sich von vornherein klar macht, dass Posener nicht vor hatte, jedes Detail der Persönlichkeit Kennedys zu beleuchten. Es gibt hier sicherlich Aspekte, bei denen sich andere Biografen 50 Seiten oder mehr aufgehalten hätten, die Posener auf drei Seiten abhandelt (Kennedys Affären z.B.) Er gibt nicht mehr und nicht weniger eine knappe, aber umfassende Darstellung von Kennedys Lebenslauf. Das Ganze ist flüssig geschrieben, mit vielen Zitaten und ergänzenden Informationen.
Poseners Biografie ist streng chronologisch. Er beginnt mit der Familie, irische, katholische Zuwanderer, die in Boston eine Familiendynastie begründen, Kennedys Jugendlehre, sein Studium und die Militärkarriere. Es folgen die politischen Lehrjahre, Kennedy zieht zunächst in den Kongress, dann in den Senat ein. Danach der Kampf ums Weiße Haus, der Präsidentschaftswahlkampf gegen Nixon 1960. Schließlich die 1036 Tage der Präsidentschaft: Schweinebucht, Berliner Mauer, Kubakrise, Vietnam, Kampf um die Bürgerrechte. Alles endet am 22.November 1963 in Dallas.
Einige interessante Details, die bei mir hängengeblieben sind. Kennedy veröffentlichte nach dem 2.Weltkrieg das politische Buch „Why England Slept“, darin eine These, die etwas ratlos macht: Eine Gesellschaft müsste „vorübergehend auf ihre demokratische Privilegien verzichten, wenn sie mit einer Diktatur mithalten wolle.“ Oder nach Kennedys eigener Aussage, die schwierigste Entscheidung seiner politischen Laufbahn (vor seiner Präsidentschaft): Seine Zustimmung für den Ausbau des St.Lorenz-Seewegs, die ihm in seinem Wahlkreis Boston sehr übel genommen wird, aber ihm im Rest des Landes Respekt einbringt. Seine Reaktion auf der Mauerbau, den er inoffiziell als Zeichen sowjetischer Schwäche interpretiert. Kennedy sieht Chruschtschow (und sich selbst) als Gehetzte: „Er möchte gern einen Atomkrieg verhindern, steht aber unter äußerstem Druck seiner Hardliner, die jeden Schritt in diese Richtung als Appeasement ansehen. Ich habe ähnliche Probleme.“ Bereits 1954 sagt Kennedy zu Vietnam: „Wir können diejenigen nicht retten, die nicht gerettet werden wollen“, um es neun Jahre später doch zu versuchen. Oder sein Zaudern zu Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung, deren Ziele er zwar teilt, die er sich aber lange aus wahltaktischen Gründen nicht traut, konsequent politisch voranzubringen.
Beim Attentat verfolgt Posener keine Verschwörungstheorien, sondern hält sich an die Fakten: Den Einzeltäter Lee Harvey Oswald. Dessen Ermordung durch Jack Ruby kommentiert Posener: „Zwar hat er Jackie Kennedy die Qual einer Aussage vor Gericht erspart. Seinem Land erweist er jedoch keinen guten Dienst.“ (Weil danach die Verschwörungstheorien sprießen.)
Eine wirklich lesenswerte Biografie, kompakt, informativ, ansprechend zusammengestellt. Und wer sich noch weiter vertiefen will, dem gibt Posener noch weitere Literaturtipps an die Hand.