Rezension zu "Der Erinnerungsfälscher" von Abbas Khider
„Der Erinnerungsfälscher“ ermöglicht Leserinnen und Leser den Blick auf das Schicksal von Said Al-Wahid zu richten, einem irakischen Flüchtling, der versucht, in der Fremde anzukommen, doch immer wieder der Außenseiter ist und am Ende nicht genau sagen kann, welche Erinnerungen real sind und welche fehlen.
Es ist schwer vorstellbar, wie es sein muss, aus der Heimat fliehen zu müssen und nie zu wissen, wo man am Ende ankommen wird. Said hat es geschafft, so mag man meinen. Er ist in Berlin angekommen, hat mit Monica eine Familie gegründet. Sein Traum ist es, Schriftsteller zu werden. Erste Texte konnte er bereits in Literaturzeitschriften veröffentlichen und wird nach Mainz zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Auf dem Rückweg von der Lesung erhält er die Nachricht, dass seine Mutter im Sterben liegt und macht sich zum ersten Mal seit Jahren auf den Weg in das Land seiner Herkunft. Auf dem Weg in die Heimat holen Said die Erinnerungen an die Flucht ein, an das Ankommen in Deutschland, die Hürden und auch seine Kindheit im Irak. Doch sind es wirklich reale Erinnerungen, die Said beschreibt, was fehlt und was sind erfundene Fragmente oder verfälschte Gedanken? Said selbst kann das nicht sagen und mir kommt es so vor, als sei das für ihn der einzige Weg, mit all dem Erlebten klar zu kommen.
Abbas Khider erzählt die Geschichte von Said sehr ruhig, meist nüchtern, distanziert, fast emotionslos. Manchmal blitzt eine Prise Poesie durch, die gefühlt im gleichen Atemzug wieder unter Andeutungen von Gewalt, Verlorensein und Abgestumpftheit zu verschwinden scheint. Dieser Panzer auf den Emotionen hat es mir schwer gemacht, in die Geschichte einzutauchen, auch wenn es für diejenigen, die eine solche Geschichte erlebt haben, vielleicht die einzige Möglichkeit ist, weiterzuleben. So ist die Geschichte sicher lesenswert, auch wenn ich mir gewünscht hätte, emotional mehr gepackt zu werden.