Worum geht's?
In "Vorsicht Nachsicht" geht es um Ruben, einen Studenten mit massiven Minderwertigkeitskomplexen. Ruben gerät an Radiomoderator Kilian, der zwölf Jahre älter ist. Ruben kann nicht fassen, dass sich Kilian der Göttliche tatsächlich für ihn interessiert. Und deshalb ist Ruben äußerst vorsichtig und misstrauisch. Zu recht, wie sich herausstellt.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung, die Ruben genießen will, solange sie anhält. Aber Kilian - eigentlich ein lieber Mensch und im Bett eine Granate - ist nicht treu. Ruben lässt es sich gefallen, weil er sich für wertlos hält. Kilian wiederum hält das für Gleichgültigkeit, als wäre er Ruben einfach nicht wichtig genug.
Und wie war's?Oha, ich bin froh, dass ich die Bücher von A.C. Lelis in chronologisch umgekehrter Reihenfolge lese. Hätte ich mit diesem Buch angefangen, ich hätte es wohl nicht nur abgebrochen, sondern auch nie wieder etwas von der Autorin gelesen.
Das liegt zum Einen an den rund 35 Schreibfehlern, die letztlich alle Wertungspunkte in dieser Kategorie aufgezehrt haben. Zum Anderen daran, dass das Buch schon mit dem ersten Satz mit einer Sexszene beginnt. Und schließlich an den schnell nervenden und nie endenden Selbstzweifeln des Protagonisten.
Am Ende war ich froh, das Buch trotzdem gelesen zu haben.
Irgendwann weiß man als Leser, dass es gerade um Rubens Minderwertigkeitskomplexe geht und um die Denkprozesse, die dadurch ausgelöst werden. Kilian erlebt einen ganz anderen Ruben, als der allwissende Leser. Für ihn ist Ruben ein cooler Student, so cool, dass er emotional beinahe gleichgültig wirkt. Ruben spricht nur das Nötigste (er hat ständig Angst, etwas Dummes zu sagen oder im fällt einfach nichts ein). Aber die Coolness, die Kilian zu sehen glaubt, ist in Wirklichkeit ein mächtiger, richtig dicker Panzer aus Eis, den Ruben während seines jungen Lebens um sich herum aufgebaut hat. Damit schützt er sich vor verbalen und emotionalen Angriffen, die er sogar von seinen eigenen Eltern kennt. Er hat bisher nur gelernt, dass er nutz- und wertlos ist. Attribute wie "liebenswert" oder auch nur "gutaussehend" würde er im Leben nicht mit seiner Person in Verbindung bringen.
Mit diesen Gedanken wird man als Leser fortwährend konfrontiert, während Ruben versucht, seine Beziehung zu Kilian eben so lange zu genießen, bis der ihn wegwirft. Dass Kilian untreu ist, ist natürlich Wasser auf Rubens Gedankenmühlen. Ab dem ersten Fehltritt hat er nur noch Angst, dass es wieder geschieht, während er behauptet, es mache ihm nichts aus. Er will Kilian nicht verlieren. Aber alles scheint gegen ihre Beziehung zu sprechen, am lautesten Rubens Cousin Torben, seine Freunde und sogar Kilians Freunde.
Die beste Stelle des Buches war für mich der Zeitpunkt, an dem der ganze Knoten platzt, an dem Rubens Mauer wie durch ein Erdbeben einstürzt und all die Emotionen, die unterdrückten und verschwiegenen Ängste gewaltsam hervorbrechen. Ein wahnsinnig emotionaler Moment, der für all die nervigen Momente entschädigt, in denen Ruben nicht sagen konnte, was er wirklich dachte.
Die Wertung:
Das Cover hat mir persönlich leider nicht gefallen. Ein halbnackter Junger in einem Bett sagt mir zu wenig über das Buch und seine Geschichte aus, als dass ich es mir deshalb kaufen würde. Es wird der Geschichte auch tatsächlich nicht gerecht, denn so nackt und unbefangen, wie Ruben hier dargestellt wird, ist er ganz lange nicht.
Die Unterhaltung hat weit über die Hälfte des Buches hinaus unter den wiederkehrenden Selbstzweifeln gelitten, mit denen uns Ruben konfrontiert. Gleichzeitig stieg aber die Spannung, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Zeitweise konnte ich nicht glauben, dass es Ruben und Kilian bis zum Ende schaffen sollten. Dagegen sprachen Rubens verschlossene Art, Kilians Untreue und der Widerstand ihres Umfeldes. Und schließlich interessierte sich auch noch ein anderer Junge ganz offensiv für Ruben. Ich war schon früh überzeugt, dass die Beziehung keine Zukunft hat. Zwischendurch hätte ich Kilian zu gern selbst zum Teufel gejagt und Ruben am liebsten kräftig geschüttelt. Ich kann also nicht behaupten, die Geschichte wäre nicht unterhaltsam gewesen.
Und weil es letztlich hauptsächlich auf die Unterhaltung ankommt, hat das Buch die Punkte durchaus verdient, die es bekommen hat.